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Als ich lernte zu fliegen

Als ich lernte zu fliegen

Titel: Als ich lernte zu fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roopa Farooki
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    Ich heiße Yasmin Murphy, und wenn mich etwas stresst, zum Beispiel Veränderungen, sogar erwartete Veränderungen, auf die ich mich vorbereiten konnte, finde ich Trost in Wiederholungen. Ich heiße Yasmin Murphy, und wenn mich etwas stresst, zum Beispiel Veränderungen, sogar erwartete Veränderungen, auf die ich mich vorbereiten konnte, finde ich Trost in Wiederholungen. Denn Wiederholung ist das Gegenteil von Veränderung. Ich mag sogar den Klang des Wortes, Wie-der-ho-lung, und wenn ich ängstlich bin, beruhigt es mich, wenn ich dieses Wort ständig wiederhole, wie es manche Menschen beruhigt, wenn sie Zahlen im Kopf verdoppeln oder mit einem Rosenkranz oder auf einer Matte ihre Gebete sprechen.
    Seit dem Dokumentarfilm sagen alle, ich sei nicht mehr so schlimm wie früher. Die Therapeuten sagen sogar, dass ich viel besser bin als früher, was eigentlich das Gleiche ist, aber positiver, weil in dem Satz keine negative Formulierung vorkommt. Sie sagen, dass ich mit neuen Dingen angefangen habe, die nicht zu meiner sonstigen Routine gehören, sei ein Zeichen, dass ich aus meinem Autismus herauswachse. Ich habe angefangen, Tennis zu spielen. Ich habe es auch mit Golf versucht, bin aber nicht bis zum tatsächlichen Spielen gekommen, weil ich auf dem Übungsplatz von fünfzig Bällen nicht einmal drei treffen konnte; meine Koordination ist nicht gut genug, und ich mag es nicht, wenn der Lehrer meine Haltung korrigiert. Jedes Mal, wenn er mich angefasst hat, habe ich mich steif gemacht, aber alles unterlassen, was als asozial gelten könnte, zum Beispiel kreischen oder den Schläger nach ihm werfen. Ich habe Lila gebeten, mir zu zeigen, wie man mit einer Töpferscheibe umgeht, da sie im College getöpfert hat. Sie hat eine Töpferscheibe gemietet, aber ich konnte sie nicht in Lilas Wohnung benutzen, weil die so unordentlich ist, dass ich Kopfschmerzen bekomme, deshalb haben wir sie in unserer Küche aufgestellt. Mir hat die Drehbewegung der Scheibe gefallen, aber nicht, dass sich der Ton so schmierig anfühlte und überallhin gespritzt und gekleckert ist. Ich habe zwar eine kleine Vase zustande gebracht, aber eigentlich nur mit Lilas Hilfe, weil ich wegen des ekligen Gefühls und der Schweinerei, die ich in der Küche gemacht habe, die Augen schließen musste. Lila war nicht gerade begeistert, weil ich gleich danach duschen gegangen bin, obwohl es gar nicht meine normale Duschzeit war, und sie die Küche allein putzen musste. Dann habe ich die Vase in einem Schrank versteckt, wo ich sie nicht sehen muss. Mit Asif habe ich sogar einen Tagesausflug bis nach Frankreich unternommen. Obwohl es der Zweck der Reise war, mit Franzosen Französisch zu sprechen, habe ich auf der ganzen Fahrt nur mit einem einzigen Menschen gesprochen, der Bedienung im Fährenbistro, und die war Engländerin.
    Die Fahrt über den Ärmelkanal hat mir gefallen, weil ich nach der Hälfte der Überfahrt nichts anderes mehr sehen konnte als nur noch das Meer, das groß und grau und eintönig war wie ein bedeckter, verregneter Himmel, und außer im Film hatte ich das Meer noch nie gesehen. Es war so riesig, dass ich erkannt habe, wie zwecklos jeder Versuch ist, vor dem Erblinden noch alles zu sehen. Denn egal, wie viel ich sehe, es gibt so viel mehr, was ich niemals sehen kann, dass die Summe meiner Erfahrungen immer nur wenig größer sein könnte als null. Und das gilt nicht nur für mich, sondern auch für jemanden, der perfekt sieht und hundert Jahre alt wird – auch er kann nur wenig mehr sehen als nichts, verglichen mit den unendlich vielen visuellen Wahrnehmungen, die möglich wären. Natürlich bestünde sein »mehr als nichts« in einer größeren Zahl von Erfahrungen als mein »mehr als nichts«, doch diese Zahl fiele immer noch nicht ins Gewicht. Wollte man alle Erfahrungen der Welt durch einen Kreis symbolisieren, dann wären meine Erfahrungen etwa so groß wie ein Strich von der Kreismitte zum Rand, und der Erfahrungsstrich jenes anderen Menschen würde sich höchstens um eine Haaresbreite von meinem unterscheiden. Meine Erfahrungen wären ungefähr so bedeutsam wie ein im Meer treibendes Sandkorn. Diese Erkenntnis hat mich ungeheuer erleichtert, weil daraus folgt, dass ich mich mit diesen ganzen Veränderungen nicht mehr herumquälen muss. Denn nach wie vor belastet es mich sehr, Dinge zu tun, die von meiner täglichen Routine abweichen – ausgenommen Tennis, das war nicht so schlimm, weil es einfach am

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