Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker
freilich.«
»So gib mir das Geld heraus!«
Ein kleines Weilchen überlegte ich, da war’s, als flüsterte irgendwo jemand: »Tu’s nicht! Tu’s nicht!« Und laut war mein Schrei: »Nun, ich tu’s nicht!«
»Waldbauern-Bübel, mach keine Geschichten!«, schmeichelte er draußen. »Dem Herrn Pfarrer muss man das Wort halten. Kannst ihn auch einmal zu brauchen haben. Steig nur auf die Betbank, und gib’s heraus. Verstreu nichts, jeder blutige Kreuzer ist heilig! Na, mach Bürschel, mach! Kriegst nachher was von mir.«
Es half ihm aber nichts. Und als er das endlich einsah, ging er fluchend von dannen. Der Boden knarrte, da er über den Schnee hinschritt gegen den Wald.
Ich war in eine trotzige Stimmung gekommen, ohne eigentlich recht zu wissen, warum. Als es jetzt aber ganz stille war in der dämmerigen Kapelle und die zwei von mir angezündeten Kerzen wie Totenlichter brannten vor dem Kreuzbilde, da begann mir unheimlich zu werden. Das Blut sah ich an den Händen und Füßen des Gekreuzigten, und als ich so hinaufstarrte zum blassen, dornengekrönten Antlitze mit dem gebrochenen Aug’, da war’s, als bewegte sich ein wenig das Haupt. Nur ein einzig Mal – und dann war’s wieder wie früher.
Mein Versuch, mittels eines Betpultes zum Fenster wieder hinauszukriechen, misslang; so fasste ich den vom Türmchen niederhängenden Glockenstrick und hub an zu ziehen, aber nicht gleichmäßig, sondern mit heftigen Zügen und in Absätzen, wie man die Feuerglocke läutete. Als die Erschöpfung kam, setzte ich mich an die Altarstufen und wartete auf einen Retter.
Es erschien weder der Tritzel noch jemand anderer. Schreien und Schluchzen, neues Zerren am Stricke. Vor Weinen und Läuten endlich ganz matt geworden, musste mich der Schlaf übermannt haben. Als ich wieder zu mir kam, flackerte vor dem starren Kreuze nur noch eine Kerze in den letzten Zügen, die andere war niedergebrannt und ausgeloschen. Zum Fenster schaute die Nacht herein. Neu erwachende Angst gab mir zugleich neuen Mut; ich kletterte wieder auf die Betbank, zwängte mich durch das Fenster, diesmal zuerst den Kopf und den rechten Arm hinaus und jetzt ging es. Ich fiel in den Schnee, blieb aber nicht lange in demselben liegen, sondern lief davon. Der Boden war gefroren, der Himmel sternenübersät. Was ich bei all diesen Unternehmungen gedacht habe, weiß ich nicht – sehr viel kaum; wenn der Mensch so viel tut, hat er nicht Zeit zum Denken. Nun aber, als ich über die Felder hinablief und von Weitem ein zuckendes Lichtlein sah, das immer näher kam, dachte ich: Am Ende kommt mir jetzt der liebe Heiland entgegen. – Und er war’s. Voran schritt ein Knecht vom Schützenhof mit Laterne und Glöcklein, hinter ihm drein der Pfarrer in Chorrock und Stola, an seinem Busen das Sakrament bergend. Allsogleich kniete ich am Wegrande nieder, wie es Sitte ist, und bat um den Segen.
Der Pfarrer blieb stehen und sagte: »Das ist ja der Waldbauernbub. Warum bist du noch aus so spät in der Nacht?«
Da hab ich denn erzählt, dass der Tagwerker Tritzel mich in die Kreuzkapelle gesteckt, um ihm das Opfergeld herauszulangen, und weil ich es nicht tun wollen, er mich im Stiche gelassen hätte.
»Oh, dieser Spitzbub!«, rief der Knecht vom Schützenhof aus. »Aber heut ist sein Krügel ‘brochen. Hat den Ostermontag, wo die Leut’ im Wirtshaus sitzen, nicht unbenützt lassen wollen. Von der Kreuzkapellen in den Schützenhof, dort beim Bodenfenster einsteigen, Kästen ausrauben, vom Bauer erwischt und niedergeschlagen werden … Ja, mein lieber Waldbauernbub, das sind Geschichten! Und jetzt ist der Tritzel just beim Sterben. Um den Geistlichen geht’s ihm, ich glaub, diesmal ist’s sein Ernst. Und so bin ich halt gelaufen bei der Nacht. Jetzt wollen wir weiter, er wird sehnlich warten.«
Der Pfarrer gab mir den Segen, dann schritten sie weiter. Noch lange sah ich das Lichtlein dahingleiten, bis es endlich zuckend zwischen den Stämmen des Waldes verschwunden war.
Pfingsten
Als ich um Hasenöl geschickt wurde
I m Jahre soundso viel hatten wir zu Pfingsten noch einen Kübel Schweinsfett vorrätig. Der Vater hatte ihn nicht verkauft, weil er meinte, die Mutter würde ihn zu Hause aufbrauchen, und die Mutter hatte ihn nicht aufgebraucht, weil sie glaubte, der Vater würde ihn ja verkaufen wollen. Und während dieses wirtschaftlichen Zwiespaltes war das Fett ranzig geworden. Jetzt hätte es die Mutter gerne verkocht, allein sooft ein Sterz mit diesem Fette auf den
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