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Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker

Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker

Titel: Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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Geschichte erzählen magst, so schenk ich dir meinen Teil von dem Kuchen!«
    Diesem hochherzigen Verzicht der Kleinen stimmten seltsamerweise auch die anderen bei und sie patschten in die Händchen und – ich ging die Bedingung ein. So stand ich denn plötzlich am Ziele meiner Wünsche.
    Ich nahm meinen Kuchen unter die Jacke hinein und ging damit in die Milchkammer, wo mich niemand sehen und stören konnte. Dort verriegelte ich die Tür, setzte mich auf einen umgestülpten Zuber und ließ meine zehn Finger und das wohl geordnete Heer meiner Zähne über den armen Kuchen los.
    Aber nun kamen die Sorgen; dass meine Geschwister strenge auf ihrer Forderung bestehen würden, daran konnte kein Zweifel abwalten. Ich ging auf meinen Hirtenzügen jeden Pechsieder, Kohlenbrenner, Viehhirten und jedes wohl erfahrne Weiblein, wie ich’s im Wald und auf der Heide traf, um eine Geschichte an. Es waren ergiebige Quellen und ich war jeden Abend in der Lage, meiner Schuldigkeit nachzukommen. Mitunter allerdings war’s ein Elend, bis ich was Neues auftrieb, und nach einer Zeit geschah es nicht selten, dass das Schwesterlein mich unterbrechend von seinem Trog herüberrief: »Du! Die wissen wir, die hast uns schon erzählt!«
    Ich sah wohl, dass ich auf neue Wege sinnen musste, und war daher bemüht, das Lesen besser zu lernen, um aus manchen Geschichtenbüchern, wie sie in den Waldhütten nutzlos auf den rußigen Wandgestellen herumlagen, Schätze zu ziehen. Nun hatte ich neue Quellen: die Geschichte von der Pfalzgräfin (das Jakoberle sagte immer Schmalzgräfin) Genovefa; die vier Heimonskinder; die schöne Melusina; Wendelin von Höllenstein – ganz wunderbare Dinge zu Dutzenden. Da sagte mein Bruder wohl oft aus seiner Krippe heraus: »Mein Kuchen reut mich gar nicht! Das ist wohl so viel unmöglich schön. Gelt, Zeitzerl?«
    Nun wurden die Abende zu kurz und ich musste eine solche Geschichte in Fortsetzungen geben, womit aber Klein Schwesterchen schier nicht einverstanden sein wollte, denn es behauptete, in jeder Nacht eine ganze Geschichte! So sei es ausgemacht.
    So verging das Jahr. Ich erwarb mir nach und nach eine gewisse Fertigkeit im Erzählen und tat es sogar hochdeutsch, wie es in den Büchern stand! Oft geschah es auch, dass sich während des Erzählens meine Zuhörer tief in die Decken vergruben und vor Schauer über die Räuber- und Geistergeschichten zu stöhnen anhuben; aber aufhören durfte ich doch nicht.
    Es war schon wieder der Sonnwendtag nahe und mit ihm die Lösung meines Vertrages. Doch – ein schlimmes Schicksal! – noch vor dem letzten Abend ging mir gänzlich der Faden aus. Alle meine Erinnerungen, alle Bücher, deren ich habhaft werden konnte, alle Männlein und Weiblein, denen ich begegnete, waren erschöpft – alles ausgepumpt – alles hoffnungslose Dürre. Bat ich meine Geschwister: »Morgen ist der letzte Abend – schenkt ihn mir!«, war ein Geschrei: »Nein, nein, nichts schenken! Du hast deinen Sonnwendkuchen ‘kriegt!« Sogar die Ziegen meckerten mit.
    Am nächsten Tage ging ich herum wie ein verlorenes Schaf. Da kam mir plötzlich der Gedanke: Betrüge sie! Dichte was zusammen! Aber allsogleich schrie das Gewissen drein: Was du erzählst, das muss wahrhaftig sein! Du hast den Kuchen wahrhaftig bekommen!
    Doch geschah im Laufe dieses Tages ein Ereignis, von dem ich hoffte, dass es im Drange der Aufregung mich meiner Pflicht entbinden würde.
    Mein Bruder Jakoberle verlor sein Zeitzerl. Er ging jammernd über die Heide, er ging in den Wald und suchte weinend und rufend die Ziege. Aber endlich spät am Abend brachte er sie heim. Ruhig aßen wir unsere Suppe, gingen in unsere Krippen und von mir wurde die Geschichte verlangt.
    Es war still. Die Zuhörer harrten in Erwartung. Die Ziegen scharrten im Wiederkäuen mit den Zähnen.
    Nun denn, so sollen sie die Geschichte haben.
    Ich sann – – ich begann:
    »Es war einmal ein großer, großer Wald gewesen. Und in dem Wald war es allweg finster gewesen. Keine Vöglein haben gesungen: Nur der Totenvogel hat geschrien. Wenn aber doch die andern Vögel auch gesungen, da haben auf den Bäumen alle Äste und alle Blätter vieltausend Tränen geweint. Mitten in diesem Wald ist eine Heide, wie der Totenacker so still, und wer über dieselbe hingeht und nicht umkehrt, der kommt nicht mehr zurück. Über diese Heide sind einmal zwei blutige Knie gegangen.«
    »Jesses Ma–!«, rief mein älteres Schwesterlein aus und alle drei krochen unter die

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