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Als ich unsichtbar war

Als ich unsichtbar war

Titel: Als ich unsichtbar war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pistorius Martin
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Kind am besten helfen würde, das hier vor einiger Zeit getestet wurde. Für mich aber ist es so ungewohnt, nach meiner Meinung gefragt zu werden, dass ich noch nicht weiß, wie ich sie angemessen äußern soll.
    Die Arbeit im Institut unterscheidet sich gewaltig von der im Gesundheitszentrum, wo anfangs viele unsicher zu sein schienen, wie sie sich jemandem wie mir gegenüber verhalten sollten.
    »Könntest du bitte mal die Januar-Listen raussuchen?«, fragten sie beispielsweise meine Kollegin Haseena, wenn sie in unser Büro kamen.
    Selbst wenn Haseena offensichtlich mit etwas anderem beschäftigt war, gab es manche, die nicht mich baten, ihnen zu helfen. Es dauerte lange, bis mir beruflich etwas zugetraut wurde, umso mehr freut es mich, dass sie es jetzt tun.
    Doch hier im Kommunikations-Institut fragten mich die Leute von Anfang an, was ich denke. Ich bin die einzige Person, die ihre Theorien in die Praxis umgesetzt hat, daher sind sie darauf erpicht, meine Meinung zu hören. Anfangs verunsicherte mich das, doch allmählich gewöhne ich mich daran, und es erfüllt mich mit einem gewissen Stolz.
    An meinem ersten Arbeitstag saß ich in dem Raum, in dem mich Shakila damals getestet hatte, und ich hatte nicht den geringsten Schimmer, was hier jetzt von mir erwartet wurde. Ich hatte selbst zu entscheiden, wie ich die administrativen Aufgaben angehen und beenden würde, die man mir übertrug, wie beispielsweise das Umsetzen eines Forschungsberichts für das Mitteilungsblatt des Instituts in Symbole.
    In der zweiten Woche wurde ich in ein Büro zu einer Frau namens Maureen gesetzt, mit der ich mich schnell anfreundete, und in der dritten Woche hatte ich erkannt, wie erfrischend es war, mich in einer Umgebung aufzuhalten, wo niemand Angst vor mir hatte.
    Jetzt arbeite ich hier bereits die vierte Woche, und heute endet meine Probezeit – die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Um meine Nervosität vor dem bevorstehenden Treffen mit Professor Alant zu beruhigen, schiebt mich Erica, mit der ich inzwischen gut befreundet bin, über das Universitätsgelände. Wir wollen in der Kantine einen Kaffee trinken. Es ist ein herrlicher Frühlingsmorgen. Die Bäume sind voller prächtiger Blüten, und der Himmel über uns ist strahlend blau.
    »Glaubst du, dass du den Job bekommen wirst?«, fragt Erica.
    Auf meinem Schoß liegt ein laminiertes Blatt Papier mit den Buchstaben des Alphabets. Außerdem befinden sich darauf allgemein gebräuchliche Wörter und Ausdrücke wie ›Danke!‹ und ›Ich will‹. Seitdem ich besser buchstabieren kann, benutze ich diese Alphabetvorlage jetzt häufiger, da ich nicht immer den Laptop mitschleppen will. Dennoch bleiben Lesen und Schreiben eine schwierige Wissenschaft für mich. Während mir das Lesen immer noch schwerfällt, ist das Schreiben aus irgendeinem Grund einfacher; ich bin mir nicht sicher, weshalb das so ist. Vielleicht, weil beim Schreiben die Wörter in ihre individuellen Buchstabengebilde aufgeschlüsselt werden, wohingegen beim Lesen eine ganze Reihe von Symbolen erfasst werden muss, die zusammengefügt wurden, um ein Wort zu bilden.
    »Ich hoffe es«, antworte ich Erica, indem ich auf die Buchstaben vor mir deute. »Wirklich!«
    »Ich glaube, du bekommst ihn.«
    »Warum?«
    »Weil du brillant bist, Martin!«
    Ich bin mir nicht sicher. Die Arbeit in einem Büro hat mir gezeigt, welch gewaltige Wissenslücken ich noch habe. Ohne Erinnerung an meine Schulbildung ist mein Gehirn eine Müllkippe, auf der Informationsfetzen abgeladen werden, und ich habe keine Ahnung, woher diese kommen. In vielerlei Hinsicht habe ich jetzt das Gefühl, stärker hinterherzuhinken als zuvor.
    Mam und Dad warten, als Erica und ich wieder zum Institut kommen, und zu dritt machen wir uns auf den Weg zu Professor Alant.
    »Ich will ehrlich sein und Ihnen gleich sagen, dass Situationen wie diese häufig nicht erfolgreich enden«, beginnt die Professorin das Gespräch, sobald sich meine Eltern gesetzt haben.
    Mir rutscht das Herz in die Hose.
    »Dennoch möchten wir Ihnen hier gerne eine bezahlte Stelle anbieten, Martin«, fährt sie lächelnd fort. »Wir haben das Gefühl, Sie könnten für unsere Arbeit wirklich unschätzbare Dienste leisten, und wir möchten, dass Sie wöchentlich einen Tag als bezahltes Mitglied unseres Mitarbeiterstabs tätig sind. Was halten Sie davon?«
    »Das ist eine tolle Nachricht!«, platzt mein Vater heraus.
    Er schaut mich mit breitem Lachen an, und auch meine Mutter

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