Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als ich unsichtbar war

Als ich unsichtbar war

Titel: Als ich unsichtbar war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pistorius Martin
Vom Netzwerk:
strahlt.
    »Dieses Angebot ist allerdings an einige Bedingungen geknüpft, da Sie so unabhängig wie irgend möglich sein müssen, wenn Sie Mitglied des Mitarbeiterstabs werden wollen«, fügt Professor Alant hinzu. »Wir werden alles Erdenkliche tun, Ihnen dabei behilflich zu sein, aber es gibt da etwas, das wir Ihnen nicht bieten können, und das ist ein elektrischer Rollstuhl, den Sie selbstständig bedienen können. Momentan muss Ihr Rollstuhl noch von jemandem geschoben werden, doch das wird nicht immer möglich sein, wenn Sie an der Seite von Kollegen arbeiten.«
    Ich nicke verständnisvoll.
    »Der Grund, weshalb ich das sage, Martin, ist folgender: Ihre Arbeit hier wird nicht funktionieren, wenn Sie darauf angewiesen sind, sich von den anderen Mitarbeitern helfen zu lassen.«
    Ich schaue zu meinen Eltern hinüber und bete, dass auch sie zustimmen.
    »Das können wir nachvollziehen«, sagt meine Mutter. »Und ich bin sicher, Martin wird mehr als glücklich sein, alles zu tun, was er kann, um zu helfen. Diese Tätigkeit bedeutet ungeheuer viel für ihn.«
    Ich nicke.
    »Da gibt es dann noch etwas«, sagt Professor Alant. »Ich glaube, Sie müssen sich Gedanken darüber machen, wie Sie sich ein dem Beruf etwas angepassteres Äußeres zulegen. Wie steht es mit Oberhemd und Hose?«
    Ich starre auf mein übliches T-Shirt und die Joggingschuhe hinab. Meine Mutter schnappt wie ein Goldfisch nach Luft.
    »Ist das akzeptabel für Sie?«, fragt Professor Alant.
    Mein Finger deutet auf ein Wort in meiner Alphabetvorlage. »Ja«, antworte ich.
    »Dann sind wir uns einig«, sagt sie lachend. »Willkommen im Team, Martin! Ich freue mich darauf, Sie nächste Woche zu sehen.«
    Mein Vater schiebt mich auf den Flur, doch niemand spricht ein Wort, bis wir sicher sein können, dass uns niemand hört.
    »Deine Kleidung?«, stößt meine Mutter ungläubig hervor. »Was stimmt denn nicht mit deiner Kleidung?«
    Sie klingt leicht verärgert. Mam hat mir immer die Anziehsachen gekauft, und ich habe nie einen Gedanken daran verschwendet.
    »Und habt ihr gehört, was sie da über ›Situationen, die häufig nicht erfolgreich enden‹ gesagt hat?«, fährt Mam fort. »Was hat sie denn damit gemeint?«
    »Ich glaube, sie wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass die Beschäftigung eines Menschen mit Behinderung eine Herausforderung sein kann«, sagt mein Vater vorsichtig.
    »Nun denn, dann ist sie ja wohl noch nie jemandem wie Martin begegnet, was?«, tobt meine Mutter. »Wenn irgendjemand es schafft, dann er! Du wirst es ihnen schon zeigen, nicht wahr, Martin?«
    Meine Eltern schauen zu mir herunter, als wir die Eingangstür des Instituts erreichen. Fast zwei Jahre sind seit dem Tag vergangen, an dem wir hier zu meinen ersten Tests erschienen sind.
    »Also, dann verlassen wir dich jetzt, damit du wieder an die Arbeit gehen kannst«, sagt Dad und drückt meine Schulter. Dann drückt er noch ein zweites Mal zu, diesmal etwas fester, um seiner Freude wortlos Nachdruck zu verleihen.
    »Du wirst allen, die an dir zweifeln, das Gegenteil beweisen, nicht wahr, mein Sohn?«, meint Mam lachend. »Ich weiß, dass du es schaffst!«
    Glücksgefühle machen sich in mir breit, während ich meine Eltern anschaue. Ich hoffe, ich kann sie stolz machen.

----
    25
In der Brandung stehen
    N ur ganz selten mal hatte ich während meiner Zeit als Geisterjunge Einblick in die Gefühlswelt meines Vaters. Einmal, als er ins Wohnzimmer kam, nachdem alle anderen schon ins Bett gegangen waren, hinterließ er bei mir einen unauslöschlichen Eindruck.
    »Martin?«, sagte er und schaute mich dabei an.
    Natürlich blieb ich stumm, während sich Dad in einen Sessel setzte und zu sprechen begann. Er saß dort, starrte durch das Fenster in die Nacht da draußen und erzählte von seiner Kindheit auf dem Lande. Als er heranwuchs, wollte mein Großvater GD immer Farmer werden, doch er endete als Arbeiter in den Minen. Dennoch versuchte er seiner Familie möglichst viel zu bieten, indem er Kartoffeln, Erbsen und Zwiebeln anbaute und Honig aus seinen Bienenstöcken erntete. Außerdem hielt er Kühe, um für Milch, Sahne und Butter zu sorgen, und eins dieser Tiere verleitete meinen Vater zu einem kindischen Akt brutaler Rebellion, den er nie vergessen konnte. Davon berichtete er mir jetzt in der Stille der Nacht.
    »Ich schlug eine der Kühe mit einem Stock«, sagte Dad leise. »Ich weiß nicht mehr, weshalb ich es getan habe, auf jeden Fall traf ich sie am Augenlid. Ich

Weitere Kostenlose Bücher