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Als ich vom Himmel fiel

Als ich vom Himmel fiel

Titel: Als ich vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Koepcke
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und das ganz besonders in Panguana, das wir seit 4 0 Jahren erforschen und immer noch nicht zur Gänze begreifen.
    Es ist diese geheime Seele des Urwalds, desselben Waldes, der mir damals nach meinem Unfall half, ins Leben der Menschen zurückzukehren, die sich mir erst jetzt, während meiner eineinhalb Jahre dauernden Forschungsarbeit, offenbarte. Erst da habe ich wirklich verstanden, was jene Lebensaufgabe tatsächlich ist, die ich in den verzweifelten und so unendlich einsamen Urwaldregennächten nach meinem Absturz beschloss, anzunehmen. Damals hatte ich mir vorgenommen, dass ich mein Leben, sollte ich es behalten dürfen, einer sinnvollen Sache widmen würde, einer Aufgabe, die der Natur und den Menschen dient. Jetzt, als junge Erwachsene auf die Station zurückgekehrt und ohne meine Eltern einen eigenen, mir selbst gestellten Forschungsauftrag erfüllend, lag auf einmal alles ganz klar auf der Hand: Meine Aufgabe hat einen Namen. Und er lautet Panguana.

19 Die Zukunft fest im Auge

Kapitelanfang
    Im Februar 1983, eineinhalb Jahre, nachdem ich aufgebrochen war, kehrte ich nach Deutschland zurück. Die meiste Zeit davon hatte ich im Urwald verbracht. Diese Monate waren ungeheuer wichtig für mich. Ich war als Erwachsene dorthin zurückgekehrt, wo mein Leben eine derart entscheidende Wendung genommen hatte, ich hatte selbst als Forscherin gearbeitet und mir den Lebensraum Amazonas-Regenwald auf meine eigene, persönliche Weise erschlossen. Mehr als ein Jahrzehnt nach meinem wundersamen Überlebenskampf im Dschungel hatte ich einen noch tieferen Bezug zu ihm gewonnen. Waren meine elf Tage Wanderung nach dem Absturz so etwas wie eine Art Initiation gewesen, während der ich bereits die Ahnung erhielt, dass mein Leben mit dem des Urwalds auf eine mysteriöse Weise verbunden war, so bedeuteten jene 1 8 Monate während meiner Fledermausstudien ein bewusstes, erwachsenes Eindringen in einen Teil seiner Geheimnisse.
    In Deutschland warteten ein Umzug und ein Neubeginn auf mich. Meine Zeit in Kiel war zu Ende, meine Habseligkeiten in Kisten verpackt, und nun nahm ich sie samt meiner neu gesammelten Erfahrungen und zog nach München, wo mein Doktorvater lehrte. Zunächst wohnte ich bei meiner Großmutter in Sibichhausen, wo ich bereits so viele schöne Urlaubswochen verlebt hatte. Doch die Entfernung zur Münchner Innenstadt war gar zu weit, und darum suchte ich mir bald in Neuhausen eine eigene kleine Wohnung.
    Ich belegte die nötigen Fächer an der Ludwig-Maximilians-Universität für meine Promotion, konnte parallel dazu als Zeitangestellte an der Zoologischen Staatssammlung arbeiten sowie mein reiches Material, das ich in Panguana gesammelt hatte, auswerten.
    Hier lernte ich viele Kollegen kennen, und unter ihnen war einer, der mir besonders charmant den Hof machte. Er arbeitete über parasitische Schlupfwespen, hatte immer einen Rat, wenn ich ihn brauchte, und was das Schönste war: Er brachte mich immer wieder zum Lachen. Er lud mich gerne zum Essen ein, wir stellten fest, dass wir eine Menge gemeinsam hatten, und ehe wir uns versahen, hatten wir uns ineinander verliebt.
    Im Jahr nach meiner Rückkehr stellte ich fest, dass ich nochmals nach Panguana reisen musste, um meine Beobachtungen abzurunden, und während jener drei Monate im Sommer 1984 schrieb mir Erich wundervolle Briefe nach Peru. Als ich im September, pünktlich zum Beginn der Vorlesungen, in München war, sahen wir uns noch häufiger, durch meine Arbeit an der Zoologischen Staatssammlung oft sogar täglich.
    Es sollte noch drei Jahre dauern, bis meine Doktorarbeit mit dem Titel »Ökologische Einnischung einer Fledermausartengemeinschaft im Tropischen Tieflandregenwald von Peru« und die Rigorosumsprüfungen beendet waren. Der Zufall wollte es, dass die Stelle der Bibliotheksleiterin an der Zoologischen Staatssammlung frei wurde, und da diese Position meinen Interessen und Qualifikationen entsprach, bewarb ich mich dafür. Ich, die ich Bücher über alles liebe, arbeite heute noch in dieser einzigartigen zoologischen Fachbibliothek, die zu den größten ihrer Art in Europa zählt, und finde hier den perfekten Ausgleich zu meinem Engagement für Panguana.
    1989 heirateten Erich und ich in Aufkirchen, dort, wo meine Mutter offiziell begraben liegt. Mein Mann interessierte sich von Anfang an für Peru und vor allem natürlich für Panguana, hatte bislang aber noch keine Gelegenheit, selbst dorthin zu reisen. Und ausgerechnet jetzt wurde es schwierig, wenn

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