Als ich vom Himmel fiel
allein im Regenwald durchhalten können, und doch vertiefte sich erst jetzt mein Wissen. Ich lernte, peruanisch zu kochen, und zwar auf Ureinwohner-Art mit den Produkten des Waldes und der Felder. Das war nicht nur äußerst spannend, sondern auch praktisch und billiger, als ständig Sachen aus Pucallpa heranzuschaffen. Natürlich musste auch das hin und wieder sein, und ich genoss die fälligen Ausflüge in die Stadt. Damals war Pucallpa noch nicht das dröhnende Inferno, das es heute ist, denn es gab keine Motocars. Dafür waren die Straßen auch noch nicht asphaltiert, und in der Regenzeit verwandelten sie sich in seifige Schlammpisten, auf denen man ständig ausrutschte und im Nu kiloschwere Schuhe durch anhaftende Matschklumpen bekam. Hier wohnte ich bei der ältesten Schwester Moros, Luz, deren Mann bei der Erdölfirma Petroperú arbeitete und ein schönes Hau s – sogar mit Klimaanlag e – hatte. Bei späteren Gelegenheiten nahmen mich Freunde meiner Eltern auf, die Schwestern Escalante, deren Bruder Tuchhändler ist und früher ein Flugzeug für Flüge im Urwald besaß. Noch heute besuche ich die Schwestern, wenn ich nach Pucallpa komme.
Meist fuhr ich ganz alleine nach Pucallpa und auch ein paarmal bis nach Lima. Meine Freundin Edith heiratete, und selbstverständlich durfte ich dabei nicht fehlen. Zur Verlängerung meines Aufenthalts in Peru musste ich nach sechs Monaten sogar bis nach Tumbes an die ecuadorianische Grenze reisen. Hier ging ich kurz über die Grenze und gleich wieder zurück, ich brauchte ja nur den Einreisestempel im Pass. Doch immer war ich froh, in den Urwald zurückzukehren.
Wenn man bedenkt, wie schwierig es heute noch ist, nach Panguana zu gelangen, dann kann man sich vorstellen, dass es auch damals Geduld und Abenteuerlust bedurfte, von dort aus nach Pucallpa oder gar nach Lima zu reisen. Zu jener Zeit gab es eine ganze Reihe kleiner, zum Teil privater Fluglinien, die oft unter den abenteuerlichsten Umständen Verbindungsflüge im Urwald anboten. Heute bin ich voller Verwunderung darüber, wie unerschrocken ich nach meiner Absturzerfahrung damals in diese Klapperkisten stieg und keinerlei Angst zu kennen schien. Es gab einen 50-minütigen Flug mit einer einmotorigen Cessna zwischen Pucallpa und dem Dorf Yuyapichis, und ohne mit der Wimper zu zucken, stieg ich in sie ein.
Ich erinnere mich noch gut an einen Rückflug, bei dem wir derart durchgeschaukelt wurden, dass sich der Pilot andauernd bekreuzigte. Er war noch nie in Yuyapichis gelandet und fragte seine kleine Besatzung, also uns, ob wir denn da wirklich landen müssten oder ob wir nicht lieber nach Puerto Inca könnten. Dort gab es nämlich eine richtige Landebahn, während er in Yuyapichis auf einer Viehweide runter musste. Es war auch schon vorgekommen, dass eine Cessna bei der Landung mit einer Kuh oder einem Pferd zusammenstieß, die nicht rechtzeitig beiseitegegangen waren. Entsprechend schwitzte der Pilot Blut und Wasser. Wir bestanden aber alle auf Yuyapichis, denn keiner hatte Lust, in Puerto Inca Ewigkeiten auf eine Mitfahrgelegenheit zu warten. Während des gesamten Fluges klammerte sich eine Frau mit beiden Händen an meiner Hose fest und ein kleines Mädchen übergab sich andauernd auf den Boden. Als das Flugzeug endlich festen Grund unter dem Boden hatte und gerade noch so am Ende der Weide zum Stehen kam, da war der Pilot derart fertig mit den Nerven, dass er uns da, wo wir waren, rauswarf und sagte, er fahre keinen Zentimeter mehr weiter, er wolle nur noch nach Hause. Ich musste damals lachen, dabei war ich diejenige, die am meisten Grund gehabt hätte, sich zu fürchten.
Ein andermal flog ich mit einer spanischen Maschine, einem sogenannten Aviocar, einem sehr seltsamen, breiten Propellerflugzeug, in das rund 2 0 Menschen passten. Innen saßen wir auf Holzbänken mit dem Rücken zur Außenwand, während im Mittelgang Schweine gelagert wurden, denen augenblicklich, noch ehe es richtig losging, schlecht wurde. Auf die offenen Gepäckablagen warfen die Passagiere an den Beinen zusammengebundene, lebende Hühnerpakete. Gurte gab es natürlich nicht. Während des Fluges ging eine Art Flugzeugschaffner herum, kassierte den Fahrpreis und drückte uns, wie in einer Straßenbahn, einen Abreißzettel in die Hand. Neben mir saß eine Frau, die mir erzählte: »Wissen Sie, ich fliege lieber, als dass ich mit dem Boot fahre. Denn ich kann nicht schwimmen.« Das fand ich eine sehr lustige Aussage, denn fliegen konnte sie
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