Als ich vom Himmel fiel
nicht unmöglich. Denn in den vergangenen Jahren hatte der Terror des »Sendero Luminoso«, dessen ersten Auswüchsen ich ja schon während meiner Reise 1980 begegnet war, Peru in ein Land voller Chaos und Gewalt verwandelt. War man in Lima zwar relativ sicher, so wurde von Reisen ins Landesinnere entschieden abgeraten. Zu viele Einheimische, aber auch Ausländer, sowohl Touristen als auch Wissenschaftler, waren auf brutale Weise hingemordet worden.
In jenen Jahren wäre uns Panguana mit Sicherheit verloren gegangen, hätte sich nicht Moro in unglaublicher Weise für die Erhaltung der Forschungsstation eingesetzt. Genau wie ich sah er in ihr eine Art ihm anvertrautes Vermächtnis und fühlte den Wunsch und die Pflicht, das, was meine Eltern vor so vielen Jahren begonnen hatten, zu bewahren. Inzwischen war er ja, mit dem Einverständnis meines Vaters, auf das Gelände von Panguana übergesiedelt. Auf diese Weise konnte er, wenn nötig, den wissenschaftlichen Besuchern, denen mein Vater erlaubte, die Forschungsstation zu besuchen und zu nutzen, besser zur Seite stehen. Nachdem mein Vater nach Deutschland zurückgekehrt war, stand er in regelmäßigem Kontakt zu Moro, gab ihm brieflich Aufträge und entlohnte ihn dafür. Aber jetzt brachen schwierige Zeiten für die Menschen in Peru an und für Panguana ebenso.
Der »Sendero Luminoso« selbst kam nicht bis an den Yuyapichis, dafür aber eine andere, bereits zuvor erwähnte Bewegung, die sich nach einem von den spanischen Besatzern hingerichteten Inka-Nachfolger »Movimiento Revolucionario Túpac Amaru« nannte. Diese distanzierte sich zwar entschieden vom »Sendero Luminoso« und setzte sich offiziell für die Rechte der indigenen Bevölkerung ein, jedoch scheute auch sie nicht vor blutigen Rachefeldzügen gegenüber dem Stamm der Asháninka-Indianer zurück, die angeblich Verräter an der Sache waren. Und da Panguana auf dem traditionellen Gebiet der Asháninka lag, war es natürlich auch von den Auswirkungen jener Auseinandersetzungen betroffen. Die Leute von Túpac Amaru erhoben Abgaben von den Bewohnern des Regenwalds östlich der Anden und bedrohten viele Menschen, auch in Puerto Inca und den anderen Urwaldstädtchen der Umgebung. Es gab so manchen Todesfall, und eineinhalb Jahre lang saßen ihre Repräsentanten auch in dem Dorf Yuyapichis und machten den Einheimischen das Leben schwer. Dass es Moro gelang, in diesen schwierigen Zeiten das Waldgebiet von Panguana zu schützen und zu verhindern, dass es sich jemand anderer einverleibte, dafür werde ich ihm und seiner Familie immer dankbar sein.
Während meines Peru-Aufenthalts für meine Doktorarbeit hatte ich in Lima versucht, die Bestrebungen meines Vaters, Panguana zum Naturschutzgebiet zu erklären, wieder aufzugreifen, aber ohne Erfolg. Immerhin erreichte ich damals, dass ich bei den lokalen Behörden ein Vorkaufsrecht für das Gelände erhielt. Dabei hatten meine Eltern den Grund und Boden damals vom Vorbesitzer rechtmäßig erworben, wenn auch ohne offizielle Papiere. Jedoch konnte auch sonst niemand in der Region offizielle Unterlagen über sein Gebiet vorweisen. Und nun hieß es auf einmal, alle Grundstücke gehörtem dem Staat, und man könne sie nur erwerben, wenn man sie landwirtschaftlich nutzte.
Also überlegten Moro und ich, ob es sinnvoll wäre, in einem kleinen Bereich der Sekundärwälder Kakao anzupflanzen, doch zum Glück kam es dazu nicht. Gegen Ende der 80er-Jahre war es eines Tages so weit, dass die ganze Gegend parzelliert wurde, und staatliche Vermessungsingenieure teilten das Gelände neu auf. Ich konnte damals nicht nach Peru kommen, die Reise war wegen des »Sendero Luminoso« zu gefährlich, außerdem steckte ich mitten in meiner Dissertation. Was konnten wir tun, um Panguana zu erhalten?
In dieser kritischen Situation erklärte sich Moros Frau Nery dazu bereit, das Gelände von Panguana vorläufig auf ihren Namen überschreiben zu lassen, damit es gesichert war. Denn einige Nachbarn hatten bereits begehrliche Blicke auf den Wald geworfen, wussten sie doch, welch reichen Edelholzbestand Panguana aufweist. Unsere Freunde aber verteidigten die wertvollen Bäume, vor allem unseren herrlichen Lupuna-Baum, wenn es sein musste auch »mit Zähnen und Klauen«. Damals handelte sich Moro viel Ärger mit den Nachbarn ein, die nicht verstanden, warum dieser Kerl für ferne Deutsche einen Wald derart bewachte, statt ihn abzuholzen, das wertvolle Holz zu verkaufen und aus dem Grund Viehweiden
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