Als ich vom Himmel fiel
zu machen. Doch Moro hatte inzwischen begriffen, worum es bei Panguana geht. Heute steht fest: Ohne ihn und seine gesamte Familie würde Panguana nicht mehr existieren.
Die Jahre gingen ins Land, an eine Reise nach Peru war nicht zu denken, und so wurde München für mich und meinen Mann zum Lebensmittelpunkt. Wir machten Urlaube, wie ich sie bis dahin kaum gekannt hatte: in Italien, Griechenland und Spanien. Ich entdeckte sozusagen jetzt erst Europa und genoss dies sehr. In jener Zeit, in der ich mich vor Presseanfragen zunehmend zurückzog, keine Interviews gab, nichts mehr davon wissen wollte, die Geschichte meines Flugzeugabsturzes wieder und wieder zu erzählen, überfiel mich zwar oft unerwartet eine große Sehnsucht nach dem Land, in dem ich geboren wurde, doch ich vertröstete mich auf später. Es ging mir gut. Ich hatte endlich ein Zuhause, das sich von jenem, das ich einmal im Urwald gehabt hatte, grundlegend unterschied, und nur die überbordende Fülle an Pflanzen auf unserer Dachterrasse ließ ahnen, wofür mein Herz heimlich noch immer schlug. Ein polnischer Handwerker, der einmal am Dach etwas zu reparieren hatte, wunderte sich wohl über die üppige Begrünung und sprach mit dem Hausmeister darüber. Danach sagte er äußerst verständnisvoll zu meinem Mann: »Ich weiß, ich weiß: Frau abgestürz t – braucht Urwald.«
Es war schließlich der Anruf von Werner Herzog, der mich dazu brachte, nach 1 4 Jahren Pause wieder in den Regenwald und nach Panguana zu fahren. Welche Bedeutung diese Reise für die Aufarbeitung meines Unfalls hatte, beschrieb ich bereits. Ein zweiter, nicht weniger wichtiger Aspekt war, dass ich endlich Panguana, Moro und seine Familie wiedersah. Mir wurde klar, dass für mich die Zeit gekommen war, Verantwortung für die Forschungsstation, den Wald und seine Bewohner zu übernehmen. Noch war das in erster Linie die Sache meines Vaters, der inzwischen das stattliche Alter von 8 4 Jahren erreicht hatte. Noch immer kümmerte er sich um alle Belange, schrieb Moro detaillierte Briefe, in denen er ihn, wie all die Jahre zuvor, mit »Señor« ansprach, am Ende allenfalls einmal mit »estimado amigo«, also »geschätzter Freund«. Weiterhin betreute mein Vater Studenten und Doktoranden, wenn sie sich für ein Thema, das mit Panguana zu tun hatte, interessierten. Und immer noch hatte er aus seiner Zeit in Peru Forschungsergebnisse aufzuarbeiten und auszuwerten. Auch während seines Ruhestandes besuchte er einmal in der Woche das Zoologische Institut in Hamburg, wo er sich um die Reptilienabteilung verdient gemacht hatte.
Er hatte noch so viele Pläne. Neben einem Buch über die Lebensformen der Menschen, von dem er schon sprach, als ich noch ein Teenager war, hatte er auch begonnen, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben. Leider kam es nur zu den ersten Kapiteln, und das unvollendete Manuskript bricht ausgerechnet kurz vor seiner Abreise nach Peru ab. Mitten in diesen vielfältigen Arbeiten überraschte ihn eine schwere Erkrankung, die im Jahr 2000 zu seinem Tod führen sollte.
Danach habe ich beschlossen, das Erbe meiner Eltern anzutreten und die Studien, die vor so langer Zeit begonnen wurden, weiterführen zu lassen. Eine große Hilfe war es, dass mein Mann mich von Anfang an dabei unterstützte. Seit er während der Dreharbeiten für Werner Herzogs Dokumentarfilm zum ersten Mal an jenen Ort gekommen war, der mein Leben so entscheidend geprägt hatte und außerdem für mein Überleben nach dem Absturz verantwortlich war, hatte auch ihn die Begeisterung für dieses Fleckchen Erde gepackt.
Als ersten Schritt setzten wir Moro endlich offiziell als Verwalter und meinen Vertreter vor Ort ein und legten dies schriftlich nieder. Auf diese Weise hat er gegenüber Nachbarn und Behörden einen ganz anderen Stand und kann Panguanas Sache noch besser vertreten, als er es all die Jahre auch ohne offiziellen Auftrag ohnehin schon tat. Denn noch immer war die Motivation meiner Eltern, den Wald zu erforschen, ohne ihn auszunutzen, vielen Einheimischen vollkommen fremd. Inzwischen trägt Moros Arbeit Früchte. Und natürlich fand auch in Peru in den vergangenen 3 0 Jahren ein Umdenken statt. Heute gibt es in den Schulen das Fach Educación Ambiental, also »Umwelterziehung«, und in diesem Rahmen besuchen uns immer wieder Lehrerinnen und Lehrer mit ihren Schulklassen. Langsam, aber sicher beginnt sich auch der Gedanke durchzusetzen, dass es vielleicht keine so gute Idee ist, den Regenwald
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