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Als ich vom Himmel fiel

Als ich vom Himmel fiel

Titel: Als ich vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Koepcke
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überhaupt nicht ausgeschlafen. Als wäre ich wieder 17, döse ich vor mich hin, denke an die Schulfeiern, den Abschlussball. Ich hatte ja nicht die geringste Ahnung, wie sehr dieser Tag mein Leben verändern würd e …

6 Der Absturz

Kapitelanfang
    Als wir früh am Morgen des 24 . Dezember 1971 zum Flughafen kommen, ist alles voller Menschen. Am Tag zuvor waren mehrere Flüge ausgefallen, und so drängen sich nun Hunderte um die Schalter, alle bestrebt, unbedingt noch zu Weihnachten nach Hause zu kommen. Es herrscht Chaos in der Abfertigungshalle. Jetzt sind wir so früh aufgestanden, und nun heißt es auf einmal, wir müssen warten. Eine Zeit lang ist es nicht mal sicher, ob unsere Maschine überhaupt nach Pucallpa fliegen wird oder stattdessen in den Süden nach Cuzco. Ich finde das sehr ärgerlich.
    Im Gedränge um die Bordscheine ist auch der Filmemacher Werner Herzog, der bereits seit 2 4 Stunden empört versucht, für sich und seine Filmcrew Plätze in einer Maschine nach Pucallpa zu bekommen, denn sein Flug am Vortag war ebenfalls ausgefallen. Er muss in den Urwald, denn dort will er Szenen für seinen Film »Aguirre, der Zorn Gottes« aufnehmen. Er kämpft regelrecht darum, in unserer Maschine mitfliegen zu können, und ist sehr verärgert, als es ihm nicht gelingt. Damals bemerke ich ihn in all dem Trubel nicht weiter, erst viele Jahre später wird er mir sagen, dass wir uns an jenem Tag womöglich sogar direkt begegnet sind. Wer mir jedoch in der Schlange auffällt, das sind zwei gut aussehende, fröhliche Jungen in etwa meinem Alter, die amerikanisch sprechen und mit denen wir ein paar Worte wechseln. Sie erzählen, dass sie in der Nähe von Pucallpa in Yarinacocha leben, wo eine Gruppe von amerikanischen Linguisten seit Jahren die Sprachen der Urwaldindianer erforscht. Ihnen gelingt es wie mir und meiner Mutter, in der überfüllten Maschine Plätze zu ergattern.
    Endlich, es ist inzwischen schon nach elf Uhr vormittags, wird unser Flug aufgerufen. Und als wir die Maschine schließlich sehen, erscheint sie uns prächtig. Es ist eine Turboprop der Firma Lockheed, Typ L-188A Electra, und in meinen Augen sieht sie aus wie neu. Was sie keineswegs ist, wie wir später erfahren werden. Dieser Flugzeugtyp war eigentlich für den Einsatz in Wüstenregionen entworfen worden und in den USA schon seit Jahren ausgemustert. Weil sie Turbulenzen nicht gut standhalten kann, denn ihre Flügel wurden, anders als bei den übrigen Maschinen-Typen, fest mit dem Rumpf verankert, ist eine Turboprop für einen Flug über die Anden denkbar schlecht geeignet. Nein, sie war nicht neu, sondern aus lauter Einzelteilen anderer Flugzeuge zusammengesetzt worden. Aber das wussten wir damals natürlich nicht.
    Ihr Name ist Mateo Pumacahua , und das kommt mir denkwürdig vor, denn so heißt ein Nationalheld, der für die Unabhängigkeit Perus kämpfte und schließlich von den Spaniern gevierteilt wurde. Die beiden jungen Amerikaner und ich machen Scherze über diesen Namen, einer sagt: »Na, dann wollen wir mal hoffen, dass die Maschine nicht auch gevierteilt wird.«
    Im Flugzeug nehmen wir unsere Plätze ein, alles ist ganz normal. Meine Mutter und ich sitzen in der vorletzten Reih e 19, ich wie immer am Fenster, das ist der Sit z F. Von hier aus kann ich den rechten Flugzeugflügel sehen. Es ist eine Dreiersitzbank, meine Mutter sitzt in der Mitte, und am Gang nimmt ein dicker Herr Platz, der auf der Stelle einschläft.
    Meine Mutter fliegt nicht gern. Sie sagt oft: »Das ist vollkommen unnatürlich, dass sich so ein Vogel aus Metall in die Luft erhebt.« Sie als Ornithologin sieht das von einer anderen Warte als andere Menschen. Auf einem ihrer Flüge in den USA hatte sie schon einmal ein Erlebnis, das ihr einen großen Schrecken einjagte, damals war ein Triebwerk ausgefallen. Obwohl nichts passierte und die Maschine auch mit einem Triebwerk sicher landen konnte, schwitzte sie Blut und Wasser.
    Es gab noch ein anderes Ereignis, das ihr das Fliegen verdächtig machte. Wir hatten einen Bekannten in Cuzco, der flog grundsätzlich nicht. »Nein«, sagte er, »ich fliege nicht. Basta.« Jahrelang hat er darum immer den Landweg genommen, egal, wohin seine Reise ging. Das hat er durchgehalten, bis er eines Tages aus irgendeinem Grund doch fliegen musste. Und genau diese Maschine stürzte ab. Für meine Mutter war das eine Art Omen.
    Dennoch ist sie oft geflogen, besonders von Lima in den Urwald, sobald das möglich war, schließlich

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