Als ich vom Himmel fiel
noch gut an eine Dünndruckausgabe von »Quo vadis?«, von der ich nur 5 0 Seiten pro Tag lesen durfte. Das war hart!
Diese Urwaldschule, die Bücher, aber vor allem der Unterricht meiner Eltern haben mich auf das vorbereitet, was ich heute schaffen will: Panguana dauerhaft vor den Eingriffen der Zivilisation zu retten. Das aber geht nur in Lima. Zum Glück kenne ich mich auch in der Stadt aus und habe inzwischen gelernt, mit der »Burrocracia« umzugehen.
Auch damals reichte der Arm der Behörden bis in unsere Urwaldstation. Nach eineinhalb Jahren meldete die Schulbehörde Bedenken an, dass ich zu den Schulabschlussprüfungen zugelassen werden könnte, ohne die drei entscheidenden Jahre zuvor die reguläre Schulbank gedrückt zu haben. Auch wenn ich alle Tests problemlos absolvieren konnte, es half nichts: Im März 1970 musste ich zurück nach Lima und dort wieder meine alte Schule besuchen.
Ja, damals dachte ich, »ich muss«. So können sich die Zeiten ändern. Doch als es klar war, dass die Behörden unerbittlich dabei blieben, da freute ich mich darauf, wieder mit meinen Freundinnen zusammen sein zu können. Panguana ging mir ja nicht verloren, hierher würde ich in allen meinen Ferien zurückkehren. Inzwischen gab es mehr und mehr Fluglinien, die Pucallpa anflogen, sodass die beschwerliche Reise über die Anden unnötig wurde.
Alles schien ganz einfach. Keiner dachte damals daran, was einmal geschehen würd e …
Mein Mann und ich erwachen am nächsten Morgen und fühlen uns, trotz der großen Zeitumstellung, erfrischt und ausgeschlafen. Ein Blick aus dem Fenster, und ich bin noch besserer Laune als sonst, denn heute lässt sich sogar die Sonne an Limas Himmel erahnen, ein ungewöhnlich freundlicher Empfang für diese Stadt. Wir genießen das Frühstück, und dann geht es auch schon los. Vor dem Hotel halten wir ein Taxi an und lassen uns zu unserem ersten Termin bei dem Anwalt fahren, den ich bei meinem letzten Besuch darum gebeten hatte, die Formalitäten für den Erwerb neuer Grundstücksparzellen für Panguana voranzutreiben. Im vergangenen Jahr hat sich nämlich herausgestellt, dass ich als Peruanerin sehr wohl Grund in diesem Land erwerben kann. Aber da nach peruanischem Gesetz der Ehepartner den Kaufvertrag ebenfalls unterschreiben muss und gleichermaßen ins Grundbuch eingetragen wird, stellte sic h – wieder einma l – ein völlig ungeahntes Problem. Da mein Mann die deutsche Staatsbürgerschaft hat, ist das nicht möglich. Und wenn das nicht möglich ist, kann ich keinen Grund erwerben.
»Wie bitte?«, fragte ich konsterniert, aber auch kämpferisch. »Das kann ja wohl nicht sein. Irgendeine Lösung muss es doch geben.«
Ja, es gibt sie. Aber der Weg dazu führt durch zahlreiche Ämter. Und heute, frisch und ausgeruht, schreiten wir langsam, aber beharrlich auf diesem Weg ein gutes Stück voran. Vom Anwalt geht es weiter zu allen möglichen Behörden, wo wir von einem Büro ins nächste geschickt werden. Jedes Mal können wir uns anhand der vor uns Wartenden ausrechnen, wie lange es diesmal wieder dauern wird. Aber ich bin zäh, dafür bin ich schließlich hierhergekommen, und Schreibtisch um Schreibtisch arbeite ich mich weiter dem Ziel entgegen, die nötigen Papiere und Stempel darauf zusammenzukriegen, um aus Panguana ein Naturschutzgebiet zu machen. Dabei kann mich keiner aufhalten, auch nicht jene modisch bebrillte neue Sachbearbeiterin, die vor einem halben Jahr noch nicht an diesem Schreibtisch saß und mir androht, die ganze Sache ganz neu aufrollen zu lassen, was mich um Jahre zurückwerfen würde. Mit Geduld, der nötigen Bestimmtheit und Sachkenntnis, mit Freundlichkeit und Beharrlichkeit gelingt es mir, auch diese junge Frau zu überzeugen. Und so vergehen dieser Tag und der Morgen des nächsten, bis wir seufzend und zufrieden den Behörden fürs Erste den Rücken kehren können.
Eines unserer vergnüglicheren Ziele ist an diesem Tag das Naturhistorische Museum, an dem meine Eltern so viele Jahre lang beschäftigt waren und wo ich noch immer alte Freunde aus jenen Zeiten habe. Kollegen meiner Eltern, die mich herzlich empfangen und mir behilflich sind, wo sie nur können. Heute kommen mir die Säle gar nicht mehr so unheimlich vor, wie ich sie als Kind empfunden habe. Ist es nicht merkwürdig, dass Räume die Angewohnheit haben zu schrumpfen, wenn wir älter werden?
Inzwischen ist die biologische Fakultät einer Universität in Lima nach meiner Mutter benannt worden, noch immer
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