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Als ich vom Himmel fiel

Als ich vom Himmel fiel

Titel: Als ich vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Koepcke
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Wanderschaft,
    und alles war wieder gut.«
    Tja, wenn das so einfach wäre! Freude machen mir auch die Briefe von Schulklassen, die viele Fragen haben und hin und wieder selbst gemalte Bilder von mir mitten im Urwald neben den Flugzeugtrümmern beilegen.
    Und dann gibt es Briefe, die mich seltsam berühren, ja die ich mitunter abstoßend finde. Es gibt nämlich Menschen, denen angeblich gelungen ist, was uns verwehrt bleibt, nämlich Kontakt zu meiner Mutter im Jenseits aufzubauen. Noch ehe ihr Tod offiziell bestätigt ist, lassen solche Menschen »herzlich grüßen«. Eine Hellseherin aus Freiburg ist gar felsenfest davon überzeugt, dass ihre Seele im Augenblick des Unglücks bei mir war und ich nur deshalb überleben konnte, weil sie mi r – von mir unbemerk t – den richtigen Weg wies. Dabei beschreibt sie die Umstände so, wie es in den fehlerhaften Berichten der Zeitungen steht: Ich sei aus den Trümmern herausgeklettert, um mich seien viele Tote gewesen, ich hätte auf ihren Rat hin einen Kuchen aufgehoben und mitgenommen, wäre beinahe in die Hände von Menschenfressern geraten, hätte ihre unsichtbare Seele mich nicht auf einen sichereren Weg gelockt. Als letzte Vision sah sie mich lichtumkränzt auf einer Lichtung sitzen und den letzten Kanten Kuchen essen. Das alles kann ich ja noch mit Humor nehmen, aber als sie dann auch noch Nachrichten von meiner toten Mutter übermittelt, da wird es mir doch zu viel.
    Es ist nicht der einzige und nicht der letzte kuriose Brief, der bei mir eintreffen soll. Manche versuchen, mich sogar vor ihren Karren zu spannen. Viele Monate später ist eine Biorhythmikerin aus der Schweiz der Überzeugung, dass ich mich »während dieser fast übermenschlichen Strapaze offenbar in einer optimalen biorhythmischen Lage« befand. »Denn wenn auch ein solcher Durchhaltewillen weitgehend eine Charaktersache ist, so hülfe er doch wenig, wenn man gerade in einer schwachen Rhythmenlage wäre.« Darum ist die Dame »überzeugt, dass Ihre Urwald-Odyssee geradezu ein Testfall für die Lehre von der Biorhythmik darstellt.« Um dies nachprüfen zu können, werde ich aufgefordert, mein Geburtsdatum, möglichst auch mit Uhrzeit, bekannt zu geben. Daran liegt der Dame sehr, »denn wenn nun meine Vermutung bezüglich Ihres Erlebnisses stimmt, dann wäre dies ein so überzeugender Testfall, das sich sogar die bösartigsten Zweifler und Bekämpfer der Biorhythmik geschlagen geben müssen.«
    Eine völlig aufgeregte Frau aus New Jersey wird mir noch zwei Jahre später einen Brief schicken, der mich befremdet. Er beginnt so: »Juliane: Ich fand neue Muster in Flugzeugabstürze n – Planetenpositionen.« Sie hat, ausgehend von meinem Fall, die Horoskope für jene Tage berechnet, an denen Flugzeugunglücke stattfanden, und kam dabei auf eine bestürzende Theorie: Offenbar sorgten ganz bestimmte Planetenkonstellationen dafür, dass die metallenen Vögel vom Himmel fielen. »Die meisten meiner Freunde«, schreibt sie, »denken, ich werde verrückt, aber diese Untersuchungen lassen mich einfach nicht mehr los.« Ihrer Meinung nach liegt die Ursache für einen Flugzeugabsturz in einem Quadrat zwischen Sonne und Pluto. Zu meiner Rettung aber schlossen sich an Weihnachten 1971 Venus, Pluto und Saturn zu einem Dreieck zusammen. Ähnliches wiederholte sich offenbar ein Jahr später, und wieder stürzte eine Maschine, diesmal eine französische, über der Karibik ab. Was soll ich davon halten? Ich verstehe nichts von Astrologie und kann zu dieser Diskussion leider nichts beitragen.
    Noch kurioser ist ein Brief, der mich ebenfalls zwei Jahre nach meinem Unfall erreicht und in dem es heißt: »Ich habe nämlich die richtige Kreisrelationszah l … gefunden und möchte damit in Kiel mit Hilfe von Ihrer Abiturientin [gemeint bin ich] eine weltweit geistige Revolution auf dem Gebiet der Mathematik einleiten.« Die komplizierten, angeblich bahnbrechenden neuen Formeln für ein »Piteljahr« kann ich auch nach meine m – ziemlich gute n – Abitur nicht nachvollziehen, und die geistige Revolution wird wohl noch warten müssen.
    Doch ich greife voraus. Noch liege ich in meinem Bett in der Missionsstation von Yarinacocha als Gast der freundlichen Linguisten, erhalte jeden Tag einen neuen Korb voller Briefe, lese sie alle und stelle mir die bange Frage: Wie um alles in der Welt soll ich nur all diesen Menschen antworten? Es sind so viele, dass es schlichtweg unmöglich ist. Ich suche die Briefe heraus, die mich

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