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Als ich vom Himmel fiel

Als ich vom Himmel fiel

Titel: Als ich vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Koepcke
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sehr sie es bewundern, auf welche Weise ich mir meinen Weg durch den Urwald suchte, und finden mich enorm »tapfer«, »besonnen« und »unerschrocken«. Ich freue mich darüber, aber eigentlich, denke ich, blieb mir doch einfach keine andere Wahl.
    Dann melden sich Menschen, die entweder meine Eltern näher oder entfernter kannten, bei demselben Professor in Kiel studiert oder in früheren Jahren den Urwald von Peru bereist hatten. Einige Exildeutsche in lateinamerikanischen Ländern schreiben, wie stolz sie sind, dass »ein Mädel aus der Heimat« eine solche Leistung vollbringen konnte. Ein amerikanischer Flugzeugpilot findet, »seine« Stewardessen könnten eine Menge von mir lerne n – ich bin mir nicht ganz sicher, was er damit meint. Bob aus Colorado studierte früher Flugzeugtechnik und möchte gerne wissen, ob ich mit einem Wrackteil zusammen zur Erde fiel oder ganz allein. Er kann sogar ein bisschen Deutsch und schreibt: »Schreiben mir bitte wenn Sie zeit haben Liebsche n – Du bist ein sehr brav fraülein!«
    Ärzte oder andere Menschen, die über ein besonderes Fachwissen verfügen, kommentieren meine Verletzungen, geben gute Ratschläge, wie im Falle eines Belgiers, der vor Lungenschäde n – verursacht durch den Schlüsselbeinbruc h – warnt, oder eines Münchner Entomologen, der mir schreibt, dass das mit den »Würmern« in meinen Wunden wohl nicht sein könne. Er hat völlig recht: Schuld haben deutsche Zeitungsartikel mit fehlerhaften Übersetzungen, in denen Fliegenmaden, die im Englischen »worms« und im Spanischen »gusanos« heißen, als Würmer bezeichnet wurden. Einige Jungen in meinem Alter und jünger fragen nach zoologischen Details, sei es, dass sie sich gezielt für Fische interessieren wie Peter aus Australien, der Näheres über die Stachelrochen erfahren möchte, allgemeine Fragen zur Tierwelt des Amazonas-Regenwalds haben wie Brian aus Kanada oder wie Herbert aus Süddeutschland wissen wollen, ob es stimmt, dass der Jaguar in Peru inzwischen ausgestorben sei.
    Mitunter eröffnen mir Briefe aber auch einen Einblick in ein fremdes Schicksal: Eine Frau aus San Antonio, Texas, hatte drei Jahre zuvor ihre damals 17-jährige Tochter verloren, di e – so meinte si e – mir nicht nur äußerst ähnlich sah, sondern wie ich Tiere liebte und Veterinärin werden wollte. Sie starb bei einem Tauchunfall. Nun lädt sie mich ein, bei ihr und ihrer anderen Tochter zu leben und an einer texanischen Universität zu studieren. Vielleicht denkt sie, sie könne mir die Mutter und ich ihr die verlorene Tochter ersetzen?
    Nicht ausschließen möchte ich auch, dass sich der eine oder andere junge Mann aus der Ferne in mich verliebte. In der Regel schreiben sie reizende Briefe, versichern mir, sie seien immer für mich da, sollte ich sie brauchen. Einer verfasst gar ein religiös durchdrungenes Gedicht, ein anderer schickt mir auf einer Postkarte in Miniaturschrift seine Botschaft auf Italienisch, Französisch und sogar auf Lateinisch. Leider gibt es aber auch welche, die aufdringlich werden, einer wendet sich am Ende, als ich ihm nicht antworte, empört an meinen Vater!
    Ein amerikanischer Künstler äußert den Wunsch, eine Bronzeplastik von mir zu fertige n – falls wir uns einmal begegnen könnten. Und ein 16-jähriges Mädchen aus München würde gerne eine Kurzgeschichte über meinen Unfall schreiben und bittet mich um Details.
    Ein begeisterter Anhänger der internationalen Kunstsprache Esperanto schreibt mir einen zweisprachigen Brief in Englisch und Esperanto, der folgendermaßen beginnt:
    »Jetzt, da Sie eine weltberühmte Person geworden sind, werden Sie es wahrscheinlich nützlich finden, die internationale Sprache Esperanto zu lernen. Der weltberühmte Fußball-König Pelé von Brasilien schrieb seine Autobiografie ›Ich bin Pelé‹ und veröffentlichte sie in Esperanto, was Geschichte machte, weil nun Esperanto-Fußballfans auf der ganzen Welt sie lesen können, was auch immer ihre Nationalsprache ist. Bitte lernen Sie Esperanto und schreiben Sie ein Buch über Ihr Leben und Abenteuer, sodass Esperantisten, ob weiblich oder männlich, es auf der ganzen Welt lesen könne n …«
    Praktischerweise legt er auch gleich ein kleines Handbuch mit den Grammatikregeln und ein Vokabelheft zum Esperanto-Lernen bei.
    Lustig finde ich auch eine Postkarte aus Hildesheim, auf der folgendes Gedicht geschrieben steht:
    »Ein Engel kam vom Himmel,
    aß ein Stück Kuchen,
    ging dann auf

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