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Als könnt' ich fliegen

Als könnt' ich fliegen

Titel: Als könnt' ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Warte!«
    Ich erkannte nicht sofort, dass es Björns Stimme war. Endlich hatte er gecheckt, dass ich sein Spiel nicht mitspielte. Er rannte mir hinterher und legte seine Hand auf meine Schulter.
    »Was ist los?« Er war außer Atem. »Kannst du keinen Spaß mehr vertragen?«
    Wir waren noch immer in Milenas Hörweite. Ich eilte weiter. Björn hatte keine Ahnung, was los war. Er folgte mir in einigem Abstand. Ich ließ meine Tasche in den Sand fallen und lief ins Wasser. Ich rannte so lange, bis ich hinfiel. Ein paar Wellen schwappten über mich hinweg. Am liebsten wäre ich viel länger unter Wasser geblieben, aber die Luft ging mir aus. Als ich wieder oben war, schwamm Björn neben mir.
    »Was war jetzt eigentlich los?«, fragte er.
    »Nichts weiter. Du sollst so was einfach nicht wieder sagen.«
    »Was hab ich denn gesagt? Ich leide an Gedächtnisschwund.«
    »Vielleicht am besten so«, meinte ich.
    Blitzschnell schoss er hoch und warf sich auf mich. Wir kämpften, bis wir völlig aus der Puste waren. Die Köpfe mal über, mal unter Wasser.
    »Nun sag schon.«
    Björn ließ nicht locker. Wir lagen auf dem Rücken im warmen flachen Wasser. Der Wellengang war träge. Von oben knallte die Sonne auf uns.
    »Vergiss es«, meinte ich.
    »Los!«
    Ich gab mir einen Ruck: »Es ist keine Beleidigung für mich, wenn du sie meine Freundin nennst.«
    Fragend sah Björn mich an. Die Wassertropfen in seinem Gesicht funkelten von der Sonne. Allmählich kapierte er.
    »So hab ich es eigentlich auch nicht gemeint«, sagte er kleinlaut. »War aber saublöd. Ich gebe es zu.«
    Als wir aus dem Wasser kamen, saßen ganz dicht bei unserem Platz die drei Mädchen vom Deich. In Björns Augen blitzte es, er hatte Feuer gefangen. Milena war weit und breit nicht zu sehen. Es war, als hätte sie sich vollkommen in Luft aufgelöst. Dabei hätte ich sie gern gefragt, ob ihr Bruder ihr die zwei Cent gegeben hatte. Jetzt hätte ich wieder den Mut gehabt, sie anzusprechen.
    Bis zuletzt hoffte ich auf ein Wunder, ließ mir aber trotzdem jede Menge Zeit mit dem Nachhausefahren. Das Wunder trat nicht ein: Als ich zu Hause ankam, saßen sie bereits fröhlich vereint auf der Terrasse und aßen Spaghetti mit der Spezialsoße meines Vaters. Ich hasste sie dafür, alle drei. Ich fragte mich, wie oft wir – er und ich – diese Spaghetti allein gegessen hatten. Die Antwort war, dass tausendmal nicht reichte. Wenn wir Gäste hatten, gab es immer etwas anderes. Mein Vater kochte gern, und er kochte gut. Diese Spaghetti waren so was wie ein Teil unserer Intimsphäre. Es konnte keinen Zweifel mehr geben, dass diese beiden hier ab sofort keine Gäste mehr waren. Ich versuchte, mich unsichtbar zu machen und sofort nach oben zu verschwinden. Es klappte nicht. »Hallo, Tobias!« Mein Vater klang aufgekratzt. »Setz dich zu uns. Es gibt deine Lieblingsspaghetti. Zur Feier des Tages.«
    Verräter!, dachte ich. »Keinen Hunger!«, rief ich und stürmte die Treppe hinauf. Aus dem Augenwinkel schnappte ich einen Blick aus Ilkas grünen Augen auf. Er pikste wie Nadeln. Auf halber Höhe der Treppe fing mein Vater mich ab.
    »Nun setz dich wenigstens zu uns«, sagte er. »Sonst denken die beiden, sie sind hier nicht willkommen.«
    »Sind sie das denn?«, fragte ich leise und dachte wieder: Verräter. Aber mein größter Zorn war schon verraucht. Die Stimme meines Vaters wirkte so flehend, dass er mir fast leidtat. Widerstrebend trat ich den Rückweg an.
    »Hallo, Bruderherz!« Ilkas Überschwang war pure Ironie. Marlies lachte, es klang leicht hysterisch.
    »Wieso?«, fragte Ilka ihre Mutter, im Tonfall unverändert. »Wir sind doch jetzt Geschwister, oder etwa nicht?« Ich wollte etwas entgegnen, verkniff es mir aber. Ich sah, dass Ilka in den Nudeln nur herumgestochert hatte. Aus reinem Protest gegen ihren Snobismus holte ich einen Teller und tat mir reichlich auf. Marlies warf mir ein breites Siegergrinsen entgegen, warum auch immer. Sie war genauso braun gebrannt wie ihre dämliche Tochter. Und plötzlich fand ich sie auch genauso schrecklich.
    »Na, Tobi«, sagte sie. »Wie sieht es aus bei dir? Ferien gut verlebt? Eigentlich hättest du auch mit uns nach Jamaika fliegen können. Ilka hätte sich bestimmt gefreut.«
    »Ich heiße Tobias.« Ich rollte mir ungefähr ein halbes Pfund Spaghetti auf die Gabel und hätte mir am liebsten augenblicklich auf die Zunge gebissen. Es war klar, dass Ilka mich nun nie wieder anders nennen würde als Tobi. »Stimmt, Tobi, wieso

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