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Als könnt' ich fliegen

Als könnt' ich fliegen

Titel: Als könnt' ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Bumerang auf mich zurückschleudern. Und ich hatte heute nicht mehr die Kraft, ihr das Maul zu stopfen. Sie aber gab noch immer keine Ruhe.
    »Stehst du etwa auf so was?«, fragte sie todernst.
    Mit einer verächtlichen Handbewegung wandte ich mich ab.
    »Ich meine«, rief sie mir nach, »es gibt ja die seltsamsten Perversen!«
    Von diesem Moment an hatte ich keine Wahl mehr. Ohne weiter nachzudenken, kehrte ich um und baute mich wie ein Turm vor ihrer Liege auf. Sie schlug die Beine übereinander und schaute mich von unten herauf an. Dabei schob sie die Sonnenbrille auf ihrer kleinen Stupsnase so weit herunter, dass sie über den Rand gucken konnte. Sie wusste nicht recht, was sie von der Situation halten sollte. Aber sie konnte es gut überspielen.
    »Noch ein Wort«, zischte ich, »und es passiert was. Ich schwör’s dir.«
    »Was denn?«, fragte sie. »Willst du mich verhauen?«
    Blitzschnell fasste ich unter ihre Liege und kippte sie mit einem einzigen Ruck schlagartig um. Unsanft landete sie auf dem harten, ausgetrockneten Boden.
    »Aua!«, schrie sie. »Was fällt dir denn ein? Du blöder Affe!« Sie war stocksauer und rieb sich den Hintern. Zufrieden ging ich ins Haus.
    22. August, abends
    Nachdem wir den Stundenplan hatten, konnten wir nach Hause: Klassenlehrer krank. So kann’s weitergehen! Auf Tobias zu warten hätte echt zu lange gedauert. Wir haben uns nicht mehr gesehen. Ist auch ganz gut so. Obwohl er wirklich ein netter Typ ist. Gerade deswegen: Er ist ein netter Typ! Nette Typen gehen schon mal ein Eis essen mit einer wie mir. Weil sie eben nett sind. Freundlich und gut erzogen. Vor allem, wenn sie Mitleid haben, weil alle anderen einen doof anglotzen. Dann machen sie solche Sachen, die netten Typen: Sie laden jemanden wie mich zum Eis ein! Und später machen sie Zivildienst und betreuen Behinderte.

6
    25. August, Sonntag
    Kein Mensch würde mir glauben, wie froh ich bin! Total erleichtert, dass ich neulich diese Einladung zum Eisessen nicht angenommen hab! Allein bei der Vorstellung, ich wäre so blöd gewesen, sie anzunehmen, kriege ich ein heißes Gesicht und würde mich vor lauter Scham am liebsten in Luft auflösen.
    Ich hatte nämlich Recht: Diese Einladung war nichts als pures Mitleid! Zuerst hab ich es nur geahnt, jetzt bin ich sicher. Er hat mich nämlich nie darauf angesprochen, wo ich plötzlich abgeblieben bin. Die Frage wäre doch eigentlich normal, oder? Zum Glück hat er auch diese peinliche Einladung nicht wiederholt. Ich schäme mich echt dafür, dass ich auch nur einen winzigen Augenblick glauben konnte … Mein Gott, wie peinlich! Und wie peinlich wäre dieses blöde Eisessen wohl erst geworden?
    Auch Tobias scheint grenzenlos erleichtert, dass die Situation sich so harmlos aufgelöst hat. Die Erleichterung spricht ihm förmlich aus dem Gesicht, wenn er an mir vorbeigeht und wir beide so tun, als ob wir uns gar nicht kennen. Ich spüre richtig, wie dankbar er ist, dass ich ihn nicht anquatsche.
    Mein Vater machte in letzter Zeit einen ganz aufgeräumten Eindruck. Er hörte seine Platten öfter, anstatt sie nur zu archivieren. Gemeinsam mit Marlies. Die beiden waren wie die Turteltauben, was mir irgendwie nicht ganz altersentsprechend erschien. So kannte ich meinen Vater gar nicht, er schien mir fremd. Alles, was die beiden machten, kam mir übertrieben vor. Aber obwohl sich weiterhin alles in mir dagegen sträubte, war unübersehbar, dass er mit Marlies’ Einzug die richtige Entscheidung getroffen hatte. Jedenfalls was seine Sicht der Dinge betraf. Bei mir dagegen sah die Sache ganz anders aus.
    Ilka nervte mich jeden Tag mehr, und mit Marlies hatte ich kaum Berührungspunkte. Das war kein Wunder, denn ich hielt mich so wenig wie möglich zu Hause auf. Aber auch sonst lief es bei mir nicht gerade gut.
    In der Schule hatten wir gleich drei neue Lehrer, mit denen ich nicht zurechtkam. Wenn es so weiterlief, konnte ich dieses Schuljahr am Ende gleich noch mal von vorn anfangen. Aber bis dahin war es noch lange hin.
    Andere Probleme dagegen brannten mir unter den Nägeln: Nach dem ersten Schultag ignorierte Milena mich komplett.
    Ich hatte keine Ahnung, was ich ihr getan hatte. Sie benahm sich, als hätten wir noch nie ein Wort miteinander gewechselt. Schlimmer: Als hätten wir uns nie zuvor überhaupt auch nur gesehen. Fremder als wir uns waren, konnte man sich nicht sein. Zwischen uns herrschte nicht nur Funkstille, es herrschte absolute Gleichgültigkeit. Zumindest von ihr

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