Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als meine Mutter ihre Kueche nicht mehr fand

Als meine Mutter ihre Kueche nicht mehr fand

Titel: Als meine Mutter ihre Kueche nicht mehr fand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joern Klare
Vom Netzwerk:
Mutter käme.
    – Die Zahl der Menschen mit Demenz wird sich in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln, und es werden weniger Fachkräfte da sein, die sie versorgen. Das ist eine Riesenherausforderung.
    2030, wenn ich als Teilchen der Babyboomer-Generation fünfundsechzig werde, wird sich die Gesamtzahl der Menschen mit Demenz in Deutschland laut Demenz-Report des Berliner Instituts für Bevölkerung und Entwicklung auf zwei Millionen belaufen. 2050, ich wäre dann fünfundachtzig Jahre alt, könnten es bereits 2,6 Millionen sein. Dazukommen nach Schätzungen der Bundesregierung noch weitere 1,6 Millionen Pflegebedürftige. Bei einer Gesamtbevölkerung, die bis zu diesem Zeitpunkt laut Prognosen auf gut 73 Millionen geschrumpft sein könnte, wären das 5,7 Prozent der Einwohner. Dabei sind bereits heute laut einiger Experten fünf Milliarden Euro nötig, um die aktuell 1,3 Millionen Menschen mit Demenz adäquat zu versorgen.
    Es ist völlig unklar, wie unser jetzt schon arg strapaziertes Gesundheitssystem und die überforderten Pflegekassen die gewaltigen Aufgaben bewältigen sollen. Die Politik liefert dazu nur Stückwerk. Was nach wie vor fehlt, ist ein »Nationaler Aktionsplan Demenz«, der wie zum Beispiel in Frankreich, Norwegen oder Schottland das Vorgehen der relevanten gesellschaftlichen Akteure und Institutionen koordiniert. Klar ist, dass den bedauernswerten Alten die armen Jungen gegenüberstehen werden. Vor allem sie werden in Zukunft die Aufgabe übernehmen müssen, das Nötige zu finanzieren. Wobei »nötig« ein relativer Begriff ist, der zu harten Diskussionen führen wird.
    – Wenn der Anteil älterer Bürger steigt, wird auch ihr politischer Einfluss größer. Damit müssen diese Altersgruppen, und dazu gehören ja irgendwann wir selbst, aber vorsichtig umgehen. Auch die Älteren tragen dann eine große Verantwortung gegenüber den Jüngeren, denn diese müssen ja ebenfalls eine Chance haben, ihr eigenes Älterwerden ökonomisch abzusichern.
    Die Ansage könnte dann »Wir sind alt und brauchen das Geld« lauten, und die Antwort »Nö«.
    – Kann es sein, dass irgendwann die Ansprüche der Alten oder Älteren noch weiter zurückgefahren werden müssen?
    Remmers nickt. »Gut möglich«, soll das heißen. Dabei nennt Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes den Staus quo für die Pflegebedürftigen jetzt schon »eine Situation, die an der Menschenwürde kratzt«.
    – Eine Gesellschaft, der an einer würdevollen Gestaltung auch des Lebens mit Demenz gelegen ist, wird sich damit konfrontieren lassen müssen. Was ist uns das Leben auch mit Einschränkungen im Alter wert? Da werden die zivilisatorischen und kulturellen Selbstverständlichkeiten unserer Gesellschaft radikal auf die Probe gestellt. Bleiben die Gemeinschaft stiftenden Fundamente tragfähig? Ferner geht es darum, inwieweit wir den Menschen ausschließlich über seine kognitive Leistungsfähigkeit definieren.
    Ich denke an meine Mutter, an ihre zerbröselnde verstandesmäßige Leistungsfähigkeit und hoffe, dass der Pflegewissenschaftler Remmers eine Lösung aufzeigt. Tut er aber nicht.
    – Es geht ganz konkret um die Frage, wie viele Leistungen wir brauchen, und das heißt auch, bezahlen wollen und können. Dabei geht es darum, was jenseits des professionellen Bereiches passiert; zum Beispiel darum, welche Bereitschaft gesunde, aktive Menschen zeigen, »freiwillig« etwas für die Gesellschaft zu leisten.
    Obwohl Remmers keinen konkreten Plan für die Organisation dieser »freiwilligen« Dienste bietet, denke ich an Pflichtstunden oder gar -tage, welche die Gesunden und Rüstigen im Altenheim, in einer Senioren- WG um die Ecke oder beim bedürftigen Nachbarn verbringen.
    Verdrängen ist dabei keine Lösung. Im Gegenteil. Auch weitere Rationalisierungen im Gesundheits- und Pflegesystem werden das Problem letztlich nicht lösen können, und der Demenz-Report spricht davon, dass es nicht in erster Linie um die ohnehin schwierige Aufstockung der finanziellen Mittel gehen kann: »Immer mehr Heime zu bauen, taugt kaum als Zukunftsstrategie.« Deren Betrieb sei, ganz abgesehen von den fehlenden Pflegekräften, zu teuer.
    – Da stellt sich die Frage nach einer gerechten Verteilungbegrenzter Mittel. Dazu gehört die Frage, inwieweit Alterskriterien, wie in England, zu rechtfertigen sind.
    Was bedeuten würde, dass ab einem bestimmten Alter auch lebensnotwendige Gesundheitsleistungen nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher