Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
Vom Netzwerk:
in Cuckmere verbracht und begonnen, regelmäßig in Sir Philips Büro vorbeizuschauen. Dauernd stellte er Fragen. Er war der neugierigste Mensch, dem sie je begegnet war. Wenn sie darüber nachdachte, gefiel ihr fast alles an ihm. Vielleicht war es sein ungewöhnliches honigfarbenes Haar, von dem sie sich angezogen fühlte? Oder sein langgezogenes tiefes Lachen, wenn er sich am Frühstückstisch mit Lady Joan unterhielt und May die Morgenpost hereinbrachte? Oder lag es nur daran, dass May neugierig war, wie er wohl ohne Brille aussah?
    Als Mr Hooch May vom Bahnhof abholte, ließ er durchblicken, dass die beiden jungen Männer bereits nach Oxford zurückgekehrt waren, wo inzwischen das neue Trimester begonnen hatte. Sie versuchte, sich die Enttäuschung über diese Nachricht nicht anmerken zu lassen, als Mr Hooch ihr Sir Philips Anweisungen für den folgenden Tag ausrichtete. Sie sollte in London Miss Nettlefold abholen und sie zu einer Adresse in Sunningdale fahren. May sah, wie sich um Hoochs schiefen Mund die Andeutung eines verschwörerischen Lächelns malte, und da sie die Anspielung nicht zu deuten wusste, erwiderte sie sein Lächeln. Sie hatte sich daran gewöhnt, ihm ins Gesicht zu schauen, und zuckte bei dem Anblick nicht länger zusammen.

8
    Evangeline wohnte nun schon seit zehn Tagen bei Joan im Londoner Stadthaus der Blunts in der Hamilton Terrace in St John's Wood. Die frühere Dringlichkeit, ihre alte Schulfreundin wiederzusehen, hatte sie in diesem komfortablen Stadthaus fast vergessen. Sie genoss es, Wiggle in den winterlich kahlen, aber noch immer eleganten georgianischen Straßen auszuführen, auch wenn er sich einmal unter dem Zaun des nahegelegenen Cricketplatzes Lord's hindurchgezwängt und direkt auf dem berühmten Spielfeld ein verängstigtes Kaninchen gerissen hatte. In seiner Erregung hatte er sich danach im Maschendraht verfangen. Die Tageszeitung, die aufgeschlagen über dem Gesicht des Wachmanns gelegen hatte, glitt zu Boden, als Evangelines scharfes »Huhu!« ihn in seiner Hütte am Rande des Spielfeldes aus dem Schlaf riss. In seinen müden Augen machte sich Entsetzen breit, als er vor seinem Fenster eine Frau erblickte, deren Doppelkinn aus dem dicken Pelz hervorquoll. Evangeline starrte ihn durchs Fenster hindurch an und formte mit ihren Lippen Worte, die er offensichtlich nicht deuten konnte.
    »Wer, gell, isst Steckrüben!?«, fragte er irritiert hinter seinem Fenster.
    »Wiggle … mein kleiner Hund … ist stecken geblieben. Und ich kann ihn nicht befreien!«, brüllte Evangeline.
    Mit Hilfe eines alten Golfschlägers, den er in seiner Hütte für Notfälle verschiedenster Art verwahrte, konnte der Wachmann das gefangene Tier schließlich befreien und schien überaus froh, sein Mittagsschläfchen fortsetzen zu dürfen.
    Ein paar Tage später ereignete sich ein weiterer unglücklicher Vorfall. Evangeline und Joan hatten im Grosvenor Hotel in der Park Lane ihren Tee eingenommen, als Evangeline beim Ausgang in der Drehtür stecken blieb. Auf der anderen Seite der Glasscheibe bildete sich schnell eine Schlange teuer gekleideter
und ungeduldig dreinblickender Damen, aber trotz des eifrigen Zerrens des Portiers und einer hastig zusammengerufenen Reservemannschaft von Kellnern ließ sich die unnachgiebige Tür etliche Minuten lang nicht bewegen. Evangeline litt unter starker Platzangst, und in einem verzweifelten Wutanfall verspürte sie den dringlichen Wunsch, die Scheibe einzuschlagen. Sie kam sich vor wie Alice im Wunderland, nur ohne das Zauberfläschchen, das den Schrumpfungsprozess hätte einleiten können. Erst als ein Gentleman mit eleganter Melone sich hinkniete, den Griff seines Regenschirms ins untere Scharnier steckte und daran rüttelte, löste sich die Glastür endlich. Ohne jede Vorwarnung wurde Evangeline in unschicklichem Tempo im Kreis herumgeschleudert, und die eben noch so strengen Damen begannen hinter vorgehaltener Hand zu kichern.
     
    Alles in allem hatte sich Evangeline jedoch sehr gut an die höchst angenehme Lebensweise der Blunts gewöhnt. Diese hatten ihren Gast zum Abendessen in ihre beiden Lieblingsrestaurants Rules und Wheelers ausgeführt, und Evangeline genoss die Zeit, die sie mit den beiden verbrachte. Ihre ungezwungene Herzlichkeit im Umgang miteinander zeigte sich besonders, wenn sie sich lang erprobte Neckereien zuwarfen, die sie sich in langen Jahren einer glücklichen Ehe zu eigen gemacht hatten.
    »Ich weiß nicht, was Winston davon hält, dass

Weitere Kostenlose Bücher