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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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dein Haar so lang geworden ist, Liebling. Ob er wohl glaubt, die Regierung hat einen struppigen Elchhund zum Fraktionschef ernannt?«
    Aber Philip hatte sich den Versuchen seiner Frau, ihn dazu zu bringen, sich die langen und meist ungekämmten Haare schneiden zu lassen, immer widersetzt. Sie waren Teil seiner Identität.
    Für ein Ehepaar in den Sechzigern hatten die Blunts das neue Jahr mit beachtlicher Unternehmungslust begonnen. Zuerst hatten sie Evangeline ins Phoenix Theatre zur Premiere von Noël Cowards neuem Stück Tonight at 8.30 eingeladen, einer Folge
von Einaktern, die der Dramatiker für sich und seine Lieblingshauptdarstellerin Gertie Lawrence geschrieben hatte. Nach der Vorstellung trafen sie alle mit Coward zu einem Drink im Café Royal zusammen. Evangeline konnte den Blick nicht abwenden von dem Mann, der die Theater auf beiden Seiten des Atlantiks füllte und viel dazu beigetragen hatte, Gertie Lawrence zu einem Star zu machen. Zwar fehlte Evangelines Meinung nach Coward das gewisse Etwas, um den Status eines Frauenschwarms zu erlangen, aber er war so komisch und herzlich, nannte Gertie immer nur »Gert« und erzählte ihnen, er habe sie bereits geliebt, als sie noch eine unbekannte Vierzehnjährige war. Evangeline erinnerte sich daran, dass ihre Mutter einmal einen Skandal erwähnt hatte, in den Coward und der Herzog von Kent, der jüngere Bruder des Prinzen von Wales, verwickelt waren, wobei der genaue Charakter dieser Verbindung nicht erläutert wurde. Zu Mrs Nettlefolds Enttäuschung wahrten die britischen Zeitungen, wenn es um Berichte über die königliche Familie ging, stets Diskretion.
    Die Premieren der Londoner Theater waren festliche Anlässe, besonders wenn es sich um ein Stück von Noël Coward handelte. Den Stars der Londoner Gesellschaft bot sich Gelegenheit, sich in Schale zu werfen, zu sehen und gesehen zu werden. Evangeline indes zog die Abendgesellschaften in der Hamilton Terrace vor. Die Gäste der Blunts waren meist älter als Evangeline und zeigten ein erfreuliches Interesse am Leben in Amerika. Wissbegierig fragten sie nach den Rassenspannungen, von denen so viele Großstädte heimgesucht wurden, erkundigten sich nach der Höhe der neuesten Wolkenkratzer, nach dem neuen Museum, das kurz vor Weihnachten in der Villa des verstorbenen New Yorker Kunstsammlers Henry Clay Frick eröffnet worden war, nach dem Treiben der Filmstars von Hollywood, vor allem aber nach Baltimore. Evangeline genoss die neuartige Erfahrung, »interessant« zu sein, und es schwindelte ihr leicht bei der Vorstellung, dass sie ihren Zuhörern zu »Einsichten« in
die Frage verhalf, inwiefern die amerikanische und die britische Lebensweise sich voneinander unterschieden. Insgeheim war sie ein wenig enttäuscht, wenn sich das Gespräch den beiden anderen unerschöpflichen Themen des Frühjahrs zuwandte.
    Spekulationen über den Prinzen von Wales und seine Beziehung zu Mrs Simpson standen fast immer auf der Tagesordnung. Die britischen Zeitungen schwiegen sich zu diesem Thema aus, obwohl sich das betreffende Paar ganz zwanglos und unbefangen in den höchsten Kreisen der Londoner Gesellschaft bewegte. Man sah sie regelmäßig zusammen im Theater, in Nachtklubs und bei Abendgesellschaften in den Privathäusern der Reichen und der Mächtigen. Gewöhnlich wurde Mrs Simpsons Ehemann in diese Expeditionen mit einbezogen. Und insgeheim wunderte man sich nicht nur darüber, dass Ernest es duldete, dass der Prinz von Wales Mrs Simpson so offensichtlich den Hof machte, sondern auch darüber, mit welcher Gewandtheit Wallis selbst die Dreiecksbeziehung handhabte. Für beide Männer schien sie echte Zuneigung zu empfinden. Dennoch schwirrten durch die Londoner Salons endlose Gerüchte darüber, wie lange dieses Arrangement andauern mochte und wie lange die Affäre vor den Zeitungen geheim gehalten werden konnte.
    Der Krieg war das zweite Hauptgesprächsthema. Sosehr Philip Blunt darauf bestand, dass ein kriegerischer Konflikt mit Deutschland unvermeidlich sei, musste er doch feststellen, dass er ein einsamer Rufer in der Wüste war. In der Tat gab es zu wenig Belege, um irgendjemanden davon zu überzeugen, dass ein Krieg unmittelbar bevorstand. Im kommenden Sommer sollten in Berlin die Olympischen Spiele stattfinden und von Reichskanzler Adolf Hitler höchstpersönlich eröffnet werden. Philips Tochter Bettina zufolge beabsichtigte » Le Tout Monde « – womit sie eine recht umfangreiche Delegation der britischen

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