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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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höchstpersönlich hier, um das Land zu regieren. Und was würde dann aus uns? Stünde nicht Sir Philips Ansehen auf dem Spiel, hätte ich liebend gern etwas Rattengift in den Tank von Mosleys Wagen gekippt, als sein Fahrer kam, um aufzutanken. Ich frage mich, wozu wir viereinhalb blutige Jahre durchgestanden haben, wenn wir jetzt einen von denen zum Tee bitten, als wäre er unsere Tante Molly?«
    May fragte nicht weiter nach. Sie verkniff sich eine Bemerkung über die gefährliche Attraktivität des jüngsten Hausgastes und beschloss, nichts von dem verstohlenen Benehmen der Haushälterin zu erzählen. Sie vertraute Sir Philip bedingungslos und war überzeugt, dass er gute Gründe dafür hatte, jemanden mit solchen Überzeugungen in sein Haus einzuladen. Aber sie wunderte sich über Mrs Cage. Was hatte sie dort oben so lange allein mit dem Führer der britischen Faschisten zu schaffen gehabt? Sosehr sie Mrs Cage, die May bisher nicht angeboten hatte, sie beim Vornamen zu nennen, auch mochte, manchmal war sie ihr irgendwie fremd. May versuchte, dieses beunruhigende Gefühl genauer zu ergründen, als sie Mr Hooch zurückließ und in ihr Zimmer in Mrs Cages Haus ging, um sich einen Pullover zu holen, bevor sie ihre Arbeit wieder aufnahm.
    In der Diele, fast versteckt unter der Treppe, erspähte May
eine kleine, offen stehende Schranktür. May hatte sie bis dahin noch nie bemerkt und wollte eben nachsehen, als plötzlich Florence erschien. Sie kam das Treppengeländer heruntergerutscht und rief theatralisch: »Rette mich, rette mich.« Sie breitete ihre Arme aus und schlang sie um Mays Hals.
    Dann ließ sie wieder los, schlug die geöffnete Schranktür zu und ergriff Mays ausgestreckte Hand.
    »Sollen wir zum See hinuntergehen?«, fragte sie und zog May zur Haustür.
    »Ich wünschte, ich könnte, Florence, aber ich muss wieder an die Arbeit«, sagte May.
    Keine von beiden erwähnte den Schrank.
     
    Am folgenden Samstagnachmittag saß May allein im Arbeitszimmer von Cuckmere und arbeitete die Ablage ab. Sie hatte keine Zeit, auf das Klopfen an der Tür zu reagieren, denn Julian trat, ohne abzuwarten, ein. Er wirkte ungewöhnlich nervös und räusperte sich, als er geradewegs auf ihren Schreibtisch zusteuerte. Er stand so dicht neben ihr, dass May den Rauch einer eben erst ausgedrückten Zigarette riechen konnte, der noch in seiner blauen Anzugjacke hing.
    Sie blickte von ihren Papieren auf, die von der Schreibtischlampe angestrahlt vor ihr lagen. Vom Licht geblendet, sah sie vorübergehend helle Flecken vor ihren Augen tanzen. Julian wollte sie um einen Gefallen bitten: Obwohl er sich vorgenommen habe, nach seiner Abschlussprüfung Fahrstunden zu nehmen, habe er noch immer nicht Autofahren gelernt.
    »Sehen Sie, die Sache ist die. Ich möchte ein paar Städte im Norden des Landes besuchen. Dauernd lese ich von diesen Orten, wo so viele Menschen arbeitslos sind, besonders in den Bergarbeitergegenden, und ich will diese Städte mit eigenen Augen sehen, anhalten, wo ich möchte, mich ein wenig umschauen, nicht von Taxis oder Zugfahrplänen abhängig sein, verstehen Sie?«
    May schob die Lampe zur Seite.
    Julian fuhr fort. »Ein paar von meinen Freunden aus Oxford sind schon da gewesen. Natürlich nicht Ruperts Clique, sondern einige aus meinem Politikjahr. Was ich sagen will, ist, allmählich komme ich mir vor wie ein Heuchler. Ich meine, dauernd rede ich davon, wie furchtbar es da oben sein muss, aber eigentlich weiß ich gar nicht, wovon ich rede.« Die Bitte gestaltete sich äußerst wortreich. »Es mag seltsam klingen, aber ich habe Angst, dass ich, wenn ich Oxford nach diesem Trimester verlasse, nicht mehr frei über meine Zeit verfügen kann. Es werden viele ungeahnte Verpflichtungen auf mich zukommen; aufregend, aber einschränkend. Vielleicht könnte Sir Philip, wenn er Sie einmal nicht braucht …?«
    Julian hielt inne.
    May sagte nichts. Er stützte sich mit der rechten Hand auf dem Schreibtisch ab. May musterte seine Finger, die vom Tabak leicht gelblich verfärbt waren.
    »Und vielleicht könnte auch Charlotte mitkommen? Sie beide könnten mich beaufsichtigen, falls ich …?« Er verstummte.
    »Soll ich nachfragen, ob Sir Philip während der österlichen Sitzungspause auf mich verzichten kann, Mr Richardson?«, unterbrach ihn May.
    »Oh, würden Sie das tun? Würden Sie das wirklich tun?«, erwiderte er, zog eine Schachtel Woodbines aus seiner Tasche und verschüttete den Inhalt auf dem Boden. »Oh, und

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