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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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Linien kräuselten wie bei einer Honigwabe. Wie hätte sie nicht bemerken können, dass ihre Mutter älter wurde? Am Tag ihrer Abreise aus Barbados, als die karibische Sonne auf den Kai von Bridgetown brannte – es schien ein ganzes Menschenleben her zu sein –, hatten May und ihre Mutter versucht, die Rufe in der Ferne zu überhören.
    »Alle Mitreisenden sollten sich umgehend an Bord begeben.«
    Sam war über die Gangway geeilt, bis er keuchend neben ihnen auf dem Landungssteg ankam.
    »Wir müssen jetzt wirklich an Bord«, hatte er gesagt und May flehentlich angeblickt. Er trug die Uniform der Frachtschiffgesellschaft, obwohl die Zuckerladung der Thomas-Plantage nur einen Bruchteil der Menge an Kisten ausmachte, die in dem Schiff verstaut worden waren. Die Geschäfte liefen zäh, und die Plantagenverwalter waren dazu übergegangen, sich die Frachtschiffe zu teilen.
    Es war Zeit zum Aufbruch. Mays Hände lagen in denen ihrer Mutter.
    »Ich will nur eins für dich: dass du das wahre, allumfassende Glück erfährst«, sagte Edith.
    Sie war kurz davor, wieder in Tränen auszubrechen. In ihren großen grauen Augen hing ein feuchter Schleier, der darauf schließen ließ, dass sie gerade noch geweint haben musste, als sie allein war.
    »Pass auf dich auf«, flüsterte ihre Mutter und drückte May einen winzigen schwarzen Samtbeutel in die Hand. »Immer
wenn ich daran denke, dass du ihn bei dir hast, werde ich wissen, dass du an mich denkst. Pass auf dich auf, mein Liebling. Und kümmere dich um Sam. Du und Sam, ihr seid mir kostbarer als alles andere.«
    Die Schreibtischlampe im Arbeitszimmer flackerte einen Moment, bevor sie wieder mit voller Stärke brannte. May strich über die silbernen Blumen ihres Vergissmeinnicht-Armbands. Sie sehnte Sam herbei. Zwei Mal glaubte sie, der Augenblick sei gekommen. Das erste Mal war es Bettina, deren wildes Mädchengeschrei May schon hören konnte, lange bevor sie ins Arbeitszimmer platzte. Sie suche, sagte Bettina, » toute la terre « nach ihrem Vater ab. May erzählte ihr, er sei nach Beddingham geradelt, um seinen Freund Eric Ravilious zu besuchen. Der Künstler habe Sir Philip seine Entwürfe für Andenkenbecher zeigen wollen, die für die Krönung im kommenden Jahr in Auftrag gegeben worden seien.
    Bettina ließ May wieder allein. Kein Wunder, dass ihre Stimme Julian zur Raserei brachte. Er vertraute May ständig Dinge an, von denen sie beide wussten, dass er sie besser für sich behalten sollte. Als sich die Tür ein zweites Mal öffnete, war es Mrs Cage. Ohne den Raum zu betreten, spähte die Haushälterin aus der Deckung der Tür im Zimmer umher und wollte wissen, ob es etwas gebe, was sie May bringen könne. Ihr ungewöhnlich sanfter Tonfall verstärkte Mays Befürchtungen. Wusste Mrs Cage irgendetwas? Hatte sie zuerst mit Sam gesprochen, über den Telefonanschluss in der Küche?
    Als Sam endlich in Sir Philips Arbeitszimmer kam, noch immer in der Uniform des Freiwilligen Seedienstes mit dem schnittigen weißen Kragen, vergaß May ihre Beklemmung für einen kurzen Moment. Dann aber trat er geradewegs hinter den Schreibtisch und umarmte seine Schwester. Sie sprach als Erste. Irgendwie wusste sie bereits, weswegen er gekommen war, noch bevor er das Telegramm aus der Tasche zog.
    »Es ist Mama«, sagte sie, und er widersprach ihr nicht.
    Niemand störte die Geschwister, als sie den Nachmittag allein miteinander verbrachten und versuchten, der Tragödie einen Sinn abzugewinnen. Das Telegramm verriet ihnen nur die wesentlichsten Details.
     
    Traurige Mitteilung an Sam und May Thomas. Edith Thomas 21. März 1936 beim Schwimmen vor Bathsheba Beach, Barbados, Karibik ertrunken. R .  I .  P . Duncan Thomas.
     
    Immer wieder gingen sie alles durch, so als ob sich der Verlust ihrer Mutter wirklicher anfühlen würde, wenn sie sich die genauen Umstände ihres Todes ausmalten. May und Sam kannten die verführerische Schönheit von Bathsheba Beach. Der Strand war Teil ihres Lebens gewesen. Sie kannten die Verlockung, die weite und stets menschenleere Sandfläche entlangzurennen, direkt aufs Wasser zu. An einem Ende des Strands befand sich eine dramatische Felsformation, eine riesige Steinmasse, deren Unterteil von den unnachgiebig anrollenden Wellen des Meeres ausgehöhlt worden war, sodass sich ein kantiges Kinn gebildet hatte. May und Sam hatten es oft riskiert, ihre Badetücher auf dem Felsen liegen zu lassen, dort, wo die struppigen Bäume sich verloren, bevor sie dann auf

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