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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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militanten Rolle im Kampf der Suffragetten inhaftiert und starb ein Jahr nach Kriegsende im Gefängnis. Die Nachricht erschütterte ihre Schwester Edith. Kurz darauf wurde Bob Opfer der giftigen Bergwerksluft, die er jahrelang eingeatmet hatte, und erkrankte tödlich an Tuberkulose. Innerhalb von achtzehn Monaten war Nathanial Castor zu einer Vollwaise geworden.
    Siebzehn Jahre später brachen May und Sam auf einem der regelmäßig verkehrenden Zuckerfrachtschiffe der Plantage zu ihrer Reise nach Liverpool auf. Die Entscheidung war May nicht leichtgefallen, zumal sie die Insel, ihren Geburtsort, zum ersten Mal verließ. Wenn nicht Sam der Mutter beständig versichert hätte, er werde sich auf dem Schiff um May kümmern und sie in Bethnal Green wohlbehalten vor der Haustür ihres Cousins Nathanial, des einzigen verbliebenen Familienmitglieds in England, abliefern, hätte May nicht den Mut gefunden, sich auf die Reise zu machen, und ihre Mutter nicht die Kraft, sie ziehen zu lassen.
    Solange sie zurückdenken konnten, hatten beide Geschwister eine Sehnsucht nach England verspürt. Nach seinem Schulabschluss mit sechzehn hatte Sam auf der Plantage gearbeitet. Er war mit Schiffen aufgewachsen und hatte seinen Vater mehrere Male an Bord der Frachtschiffe nach England begleitet. Sein Plan war, irgendwann in die British Royal Navy einzutreten, so wie schon sein Vater vor ihm.
    May hingegen dachte fast nur darüber nach, wie sie Duncan entrinnen konnte. Auf den ersten Blick schien er ein liebevoller
Vater zu sein. Er ermutigte Sam in der Schule und bestand darauf, May jeden Abend Gutenachtgeschichten vorzulesen. Sie war noch ein ganz junges Mädchen gewesen, als sie einmal wegen der Hitze ohne Nachthemd in ihrem Bett lag und ihr Vater seinen Stuhl ganz nah an sie heranrückte. Nur sie wusste, dass die Gutenachtgeschichten von »kleinen Nippchen« begleitet wurden, verstohlenen Schlucken aus seinem silbernen Flachmann, den er in der Tasche seines milchteefarbenen Plantagenbesitzerjacketts verwahrte.
    »Nur ein kleines Nippchen, um die Räder zu ölen, bevor wir anfangen«, flüsterte Duncan dann immer durch seine Zahnlücke, sobald er hörte, wie Edith die Treppe hinunterstieg. Er sprach mit sich selbst und schielte mit seinen kleinen blutunterlaufenen Augen auf Mays Körper herab.
    »Unser kleines Geheimnis«, sagte er, und sobald er begann, seine Finger durch ihr Haar gleiten zu lassen, und seine abgebrochenen, schmutzigen Fingernägel sich auf dem Weg zu ihrem Rücken in ihrem Pferdeschwanz verhedderten, musste May ihren Reflex, zurückzuweichen, unterdrücken. Mays Mutter ahnte nichts von alledem, und das Gefühl, selbst an Duncans Verhalten schuld zu sein, verängstigte May viel zu sehr, um irgendjemandem etwas davon zu erzählen.
    Als May für Gutenachtgeschichten zu alt geworden war, ließ Duncan sie in Ruhe; ganze Nächte blieb er der Plantage fern und tauchte ohne ein Wort der Erklärung wieder auf. Ein paar Jahre später schien er sich aufrichtig darüber zu freuen, dass May Interesse daran zeigte, den Plantagenwagen fahren zu lernen, und sie sein Angebot, ihr das Autofahren beizubringen, zurückhaltend akzeptierte. Doch während der Fahrstunden strich Duncan ihr immer wieder über den Hinterkopf. Wenn sie die Pedale betätigte, legte er ihr die Hand aufs Knie. Machtlos, ihn daran zu hindern, umklammerte May voller Abscheu das Lenkrad. Aufgrund ihres Geschicks am Steuer fuhr sie bald schon auch offiziell den Wagen der Plantage. War sie auf den Feldern
und unterhielt sich mit den Frauen, tauchte Duncan plötzlich zwischen den hohen Zuckerrohrhalmen auf und erbot sich, sie nach Hause zu begleiten, oder er fand einen Grund, ihr auf ihren wöchentlichen Fahrten zur Bank und zum Postamt im nahegelegenen Speightstown Gesellschaft zu leisten. May bemühte sich, ihm aus dem Weg zu gehen, aber sie wusste, dass es ihm eines Tages gelingen würde, auch noch die letzte Grenze zu überschreiten, egal wie sehr sie sich zu schützen versuchte. Am Ende war es Sams beharrlichen Ambitionen zu verdanken, dass sich für May die Tür zur Freiheit öffnete.
     
    In den ersten Januartagen des Jahres 1936 waren May und Sam Thomas in Liverpool von Bord gegangen und hatten den hohen Kai von Albert Dock betreten. May hatte unter ihrem unangemessen dünnen Baumwollmantel gefroren. Der blassblaue, sommerlich zarte Stoff, den ihre Mutter ihr um die schmalen Schultern gelegt hatte, bevor sie ihre Tochter an sich gedrückt und ihr einen

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