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Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)

Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)

Titel: Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unheilig
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Dienstantritt alle in einer Reihe stehen und einmal laut »Guten Morgen« schreien mussten.
    Da ich zu Hause kein Geld abgeben musste, liefen meine gesamten Einkünfte unmittelbar in die Ausstattung meines Studios. Alles lief bestens. Ich schien meinem Ziel tatsächlich immer näherzukommen. Ich liebte es, in Musikhäusern auf die Suche nach Keyboards und Synthesizern zu gehen. Ich probierte die Instrumente aus, wenn sie mir gefielen. Zurück in meinem Studio, arbeitete ich dann an Instrumentalstücken, nahm sie auf – und war ein glücklicher Mensch.
    Mein Leben lief perfekt. Ich hatte einen sogenannten Beruf, der mir die Musik ermöglichte, und mir fehlte es eigentlich an nichts. Ich war ein ruhiger, etwas zurückgezogener Zeitgenosse, der bei der Bundeswehr als Sanitäter arbeitete und in seiner Freizeit Musik machte. Tagsüber saß ich in dem Behandlungsraum und abends hinter meinen Keyboards. Im Grunde kannte ich zu jener Zeit exakt drei Aggregatszustände: Sitzend, liegend und/oder essend …
    Und das wurde schon bald offensichtlich – im allerbesten Wortsinn. Mein Körperumfang hatte sich irgendwann annähernd verdoppelt. Ich achtete in keiner Weise auf Bewegung oder so etwas wie gesunde Ernährung. Ich stopfte – ohne einen Gedanken daran zu verschwenden – einfach alles in mich rein, was greifbar war. Und es gab reichlich von allem. Warum dies so war, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen. Ich hatte bis dahin nie Probleme mit dem Gewicht gehabt. So etwas kannte ich damals gar nicht und aus diesem Grund musste ich auch nicht darüber nachdenken. Das zumindest dachte ich …
    In den folgenden anderthalb Jahren hatte ich also rund 20 Kilo zugenommen. War ich zuvor eher ein Leichtgewicht und verhältnismäßig dürr, sah ich fortan aus wie ein Michelin-Männchen. Mein Kopf war kugelrund und meine Oberschenkel derart dick geworden, dass sie beim Gehen aneinanderrieben. Das Tragische dabei war jedoch, dass es mir zunächst gar nicht auffiel. Ich lebte in den Tag hinein, machte meinen Job – und liebte die Musik.
    Dass ich in der Zwischenzeit doppelt so breit geworden war, interessierte mich schlichtweg nicht. Wenn die Uniform nicht mehr passte, wurde sie einfach durch eine neue ersetzt und das »Problem« war wieder aus der Welt. Bis mein Umfeld in der Kaserne anfing, sich über mich lustig zu machen. Plötzlich hieß es: »Da musst du zu dem Dicken ins Behandlungszimmer gehen« … Ich wurde zum »Specki« und mein Körperumfang sorgte im zunehmenden Maße für Spott und Gelächter. Am Anfang konnte ich noch darüber hinwegsehen – aber eben nur am Anfang.
    Die Spirale bewegte sich erneut nach unten. Ich war nicht mehr nur der junge Kerl, der in der Hierarchie noch immer ganz weit unten stand und auch noch hin und wieder Probleme mit dem Sprechen hatte – irgendwann war ich der dumme, fette Stotterer …
    Die Selbstsicherheit, die ich mir in der Schule mühsam erarbeitet hatte, war mit einem Mal wieder weggewischt. Ich war ganz unten angelangt – fast so, wie es mir mein Rektor in der Realschule prophezeit hatte, und ich wusste kaum, wie ich den Kopf zum Atmen noch über Wasser hätte halten können. An manchen Tagen grübelte ich darüber nach, wie ich abnehmen könnte, aber es fand sich nie der richtige Moment, es wirklich einmal zu versuchen. Dann war ich wieder hin- und hergerissen und fragte mich, ob es sich überhaupt lohnen würde, abzunehmen, wo doch lediglich ein paar Idioten in meiner Einheit die Sache zum Thema machten – nicht aber ich selbst. Warum hätte ich mich also für andere ändern sollen? Alles, was ich doch wollte, hatte ich erreicht. Ich hatte einen Job und konnte in Ruhe meine Musik machen – und mir immer mehr Geräte für mein Studio kaufen.
    Die einzige wirkliche Sorge, die mich in jener Zeit plagte, war die Frage, wie es nach der Bundeswehr mit mir weitergehen könnte. Mir war klar, dass ich irgendwie einen Weg finden musste, wie ich die Musik zum Beruf machen konnte. Also fing ich eines Tages damit an, Infomaterial und Adressen von Plattenfirmen zusammenzutragen. Ich sammelte alles, was ich finden konnte. Einen Plan hatte ich auch: Ich würde mich mit meinen zahlreichen Instrumentalstücken bei Plattenfirmen als Komponist bewerben. Die Plattenfirmen würden dann meine Stücke kaufen oder mich direkt als Komponisten anstellen – so einfach stellte ich mir das in jener Zeit vor. Denn im Grunde wollte ich Filmmusik machen. Ich hatte mir schließlich im Laufe der

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