Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
Jahre viele Soundtracks von Filmen gekauft und war der festen Überzeugung, dass ich das auch könnte.
Es ist heute schwer nachvollziehbar, aber es gab tatsächlich einmal eine Zeit ohne Internet. Gerade die jüngeren Leser mögen sich wundern, dass die Menschheit bis vor wenigen Jahren gezwungen war, ohne Google auszukommen. In meinem Fall hieß das konkret: Rein in die Stadtbibliothek, ein Branchenbuch suchen, Adressen von Plattenfirmen und Musikverlagen abschreiben und danach zu Hause Briefe aufsetzen – auf einer Schreibmaschine.
Mit diesen bescheidenen Mitteln machte ich rund 50 Bewerbungsbriefe fertig. Kurzes Anschreiben, Lebenslauf und eine Kassette mit einer Musikauswahl – fertig. Ich war fest davon überzeugt, dass ich schon bald die ersten Antworten bekommen würde, schließlich hatte ich aus mehr als 100 Instrumentalstücken lediglich die für mich zwölf besten ausgesucht. Das musste einfach klappen, dachte ich mir damals. Die Musik war gut – darauf, so war ich mir sicher, hatten die Plattenfirmen vermutlich nur gewartet.
Warten musste allerdings vor allem ich. Und ich wartete lange. Sehr lange – und nichts geschah.
Der morgendliche Blick in den Briefkasten verkam zur täglichen Niederlage. 50 Bewerbungsschreiben – keine einzige Antwort. In meiner Gedankenwelt eine absolute Unmöglichkeit, also musste ich etwas unternehmen. Ich nahm mir noch einmal die Liste mit den Adressen der Plattenfirmen vor und suchte die dazugehörigen Telefonnummern heraus – ein persönliches Gespräch, davon war ich fest überzeugt, würde mit Sicherheit alles klären.
Das zumindest hatte ich mir erhofft.
Ich fing damit an, die Telefonliste abzuarbeiten, und landete bei jedem Anruf in der Leitung schlecht gelaunter Vorzimmermenschen, die überhaupt nicht verstehen konnten, was ich von ihnen wollte. Es schien absolut unüblich zu sein, dass sich jemand per Telefon darüber beschwerte, dass er keine Antwort auf sein eingeschicktes Musikmaterial bekommen hatte. Ich ließ zwar nicht locker, aber erreichen konnte ich natürlich wieder nichts.
Manche erklärten mir, dass so etwas einfach dauern könne. Andere sagten, sie hätten gar nichts bekommen oder im Augenblick kein Interesse an dieser Art von Musik. »Rufen Sie nicht an – wir rufen Sie an!« – was frei übersetzt in etwa hieß: »Lass uns mit deinem Scheiß in Ruhe und mach die Leitung für die wirklich wichtigen Leute frei!«
Ich musste mir somit eingestehen, dass die Sache wohl nicht ganz so einfach war, wie ich es mir vorgestellt hatte. Oder – die schlimmste aller Möglichkeiten: Womöglich war meine Musik nicht gut genug.
Aber konnte das denn wirklich sein? Hatte ich doch alles, meine Ideen, meine Kreativität und viel Geld in die Musik hineingesteckt. Meine Verwandten, meine Familie – alle waren doch davon begeistert gewesen und hatten mir immer wieder bestätigt, wie toll sie meine Musik fänden. Außerdem hatte ich doch mein ganzes Leben so geplant, dass ich Musik machen konnte, und war auch nur aus diesem Grund zur Bundeswehr gegangen – nur, um Geld zu verdienen, damit ich mir die Ausrüstung überhaupt erst leisten konnte. Sollte dieses Konstrukt nun tatsächlich wanken? Ich war am Boden zerstört und wusste nicht mehr weiter.
Dazu kam dann auch noch die Angst vor der Zukunft. Meine Pläne waren bis dahin immer fest definiert gewesen: zuerst die Bundeswehr, dann Berufsmusiker. Einen Plan B hatte ich nicht und nun schien sich plötzlich abzuzeichnen, dass die Sache mit der Musik wohl doch nicht so einfach funktionieren würde. Ich stand mit einem Mal vor dem Nichts und fiel in ein tiefes, schwarzes Loch.
Die Instrumente in meinem kleinen Studio blieben bis auf Weiteres unangetastet. Welchen Sinn hätte es denn noch gehabt, weitere Musikstücke zu schreiben oder überhaupt Musik zu machen? Warum Musik? Es hatte sich doch gezeigt, dass kein Mensch sie haben wollte.
Aus Frust fing ich damit an, mich mit Essen dafür zu entschädigen, dass es mir schlecht ging. Wenn dann noch eine Attacke von außen über mein Gewicht auf mich einprasselte, lachte ich lediglich darüber, machte mich selbst zur Witzfigur und stopfte noch mehr in mich rein.
Wenn ich aus heutiger Sicht diese Zeilen schreibe, kann ich kaum glauben, dass ich das war, über den ich hier schreibe. Diese dunklen Erinnerungen waren offenbar sehr lange verdrängt und fast schon in Vergessenheit geraten. Meine Blindheit, die ich zur damaligen Zeit an den Tag legte, schmerzt,
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