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Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)

Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)

Titel: Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unheilig
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gute Gründe gefunden, um einfach alles in mich hineinzustopfen. Wenn ich morgens aufwachte, dachte ich ans Frühstück und beim Essen dachte ich an all die leckeren Dinge, die ich später noch essen könnte. Wenn ich in den Spiegel blickte, fing ich an, das zu hassen, was ich dort sah – allein mein Leben ändern wollte oder konnte ich in diesen Tagen nicht.
    Vielleicht war es noch nicht einmal mein Aussehen, was mich so erschrocken machte, sondern wohl eher diese Selbstgerechtigkeit in meinem Blick, mit der ich mein selbst auferlegtes Schicksal zu begründen versuchte. An all dem war schließlich in irgendeiner Form mein Scheitern als Musiker schuld. Aber nicht die Musik selbst war der Grund für dieses Scheitern, sondern all die Ignoranten, die sie abgelehnt hatten. Die Welt war ungerecht zu mir und deshalb hatte ich Trost gesucht. In Cheeseburgern, Fritten und Schokoladetorten.
    Mir war aber auch klar geworden, dass mein Übergewicht und die damit verbundene Lethargie mich persönlich aufhielten und mein Ziel, Musik zu machen, immer wieder bremsten. Ich wollte einfach nicht mehr in die depressiven Löcher fallen, die mich immer wieder lähmten. Mir fehlte die Musik. Das, was ich jahrelang liebte, aber auch das, was mich nun so tief heruntergerissen hatte.
    Ich fing an, mich für mein Aussehen zu schämen, und wollte aus diesem sinnlos angefressenen Schneckenhaus wieder herauskommen. Zu Hilfe kam mir in diesem Moment der neue Spieß, der mich auf eine nette und geradezu kumpelhafte Art und Weise anspornte, wieder regelmäßig Sport zu treiben. Und tatsächlich – es wirkte. Ich hatte es in kürzester Zeit geschafft, meine alte Liebe zum Sport wiederzufinden und ich fing damit an, regelmäßig joggen zu gehen.
    In jener Zeit begann in Deutschland zudem ein aus den USA importierter Fitnesswahn. An jeder Ecke schienen Fitnessstudios aus der Erde zu schießen, und so erlag auch ich diesem Trend und meldete mich kurzerhand in einem dieser Studios. Zum regelmäßigen Joggen kam nun also auch der Kampf mit Hanteln und Gewichten dazu. Die Zeit dafür nahm ich mir einfach. Die Stunden, die ich ansonsten nach der Arbeit vor dem Fernseher verbrachte, nutze ich fortan für den Sport, denn die Arbeit in meinem Musikstudio war nach den Enttäuschungen der Vergangenheit fast auf null zurückgegangen. Stattdessen hatte ich mir in den Kopf gesetzt, mein Aussehen zu ändern und wieder auf mein normales Gewicht zu kommen. Mit aller Macht!
    Ich sog in jenen Monaten alles in mich auf, was mit Fitness und Sport zu tun hatte, und konnte schon sehr bald spüren, wie mein Körper darauf reagierte. Meinen Sport betrieb ich von Woche zu Woche extremer – immer das Ziel vor Augen, mein Spiegelbild wieder zu mögen. Innerhalb eines Jahres konnte ich auf diese Art und mit einer umfassenden Umstellung meiner Essgewohnheiten mehr als 30 Kilo Gewicht abnehmen und dabei gleichzeitig eine imposante Muskelmasse aufbauen. Mein Selbstbewusstsein, das ich zuvor schon mit meiner Musikkassette steigern konnte, wuchs nun gleichsam über mich hinaus.
    Zu meinem Leidwesen fiel ich von einem Extrem ins nächste – und mal wieder ohne es selbst zu merken. Hatte ich jahrelang nur meine Musik im Kopf gehabt, so drehte sich plötzlich alles nur noch um Fitness, Muskeln und die richtige Ernährung. An neue Instrumente wäre gar nicht mehr zu denken gewesen, gab ich doch einen Großteil meines Wehrsoldes für sündhaft teure Kohlehydrat- und Eiweiß-Shakes aus. Nichts sollte mehr dem Zufall überlassen werden. Aus dem Sport, der eine gesunde Freizeitbeschäftigung hätte sein müssen, wurde ein pseudowissenschaftlich betriebener Fitnesswahn, dem in dieser Zeit so gut wie alles untergeordnet war.
    Mein ursprünglicher Plan, mir von meinen Einkünften als Zeitsoldat mein Tonstudio zu perfektionieren, war fast schon obsolet geworden. Einen Großteil der Geräte hatte ich zwar im Laufe der Zeit bereits angeschafft, aber in meinem letzten Dienstjahr kam nichts mehr hinzu. Ich hatte schließlich neue Prioritäten gesetzt. Und so war mir auch klar geworden, dass ich mir für die Zeit nach der Bundeswehr einen neuen Job suchen müsste. Die Musik oder das, was noch von ihr übrig geblieben war, könnte ich – so dachte ich in jener Zeit – allenfalls nebenbei betreiben. Neben dem Job – und neben meinem Sport.
    Auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz für die Zeit nach dem Bund hatte ich den Beruf des Augenoptikers in Betracht gezogen. Es sollte in jedem

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