Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
zusammen, als sie von meinem Entschluss erfahren hatten. In meiner engeren Umgebung konnte keiner verstehen, wie man so einfach eine zur damaligen Zeit wertvolle Lehrstelle abbrechen konnte, um dann zur Bundeswehr zu gehen. Der Junge … der Bub … was war nur in ihn gefahren? Er könnte sonst wohin versetzt werden und keiner würde ihn beschützen können … Für meine Eltern muss es eine grauenhafte Zeit gewesen sein.
Aber – den hässlich und hinterhältig grinsenden Dämon im Nacken – ich blieb dennoch standhaft. Er wollte mich tief halten, mich fertig- und zum Untertan machen – aber ich war stärker. Ungeachtet dessen, was mein Umfeld von mir erwartete – in diesem Fall hörte ich nicht auf ihn. Ich fühlte mich alt und reif genug, meine eigenen Entscheidungen zu treffen, und nach endlosen Gesprächen schienen auch meine Eltern dies endlich zu akzeptieren und ließen mich in Frieden ziehen.
Stillgestanden!
Aber zunächst hieß es warten. Ich war zwar gemustert und tauglich gesprochen, aber noch deutlich zu jung, um meinen neuen Job bei der Bundeswehr antreten zu können. Neun Monate musste ich mich noch gedulden, was nichts anderes hieß, als dass ich neun Monate gewissermaßen arbeitslos war. Da mich meine Eltern in dieser Zeit nicht zu einem Job drängten und es in unserem Haus auch ausgeschlossen war, dass die Kinder Geld abgeben mussten, verbrachte ich die Monate bis zu meiner Einberufung in meinem Musikkeller. Oder ich fuhr einfach mit meinem Roller durch die Gegend und traf mich mit Freunden.
Die Tatsache, dass wir Kinder immer völlig von unseren Eltern abgeschirmt worden waren, veranlasste uns auch nicht, darüber nachzudenken, ob der Lebensunterhalt in unserem Haus etwas kosten könnte. Es war einfach immer alles da, es war immer sauber, es gab etwas zu essen und die Kleidung war gewaschen. Ein Paradies – so lange, bis man es irgendwann einmal verlassen und erkennen muss, dass nicht alles im Leben selbstverständlich war.
Und das sollte schon bald folgen, denn eines Tages wurde ich endlich eingezogen. Da ich mich beim Kreiswehrersatzamt zu den Sanitätern bei der Luftwaffe gemeldet hatte, begann meine Grundausbildung gleich einmal weit weg von zu Hause – in Würzburg. Durch meinen Alleingang, die Ausbildungsstelle aufzugeben und eigenmächtig bei der Bundeswehr anzuheuern, fühlte ich mich zwar groß und stark – als ich jedoch alleine, fernab des Elternhauses vor dem nüchternen Kasernentor stand, war ich plötzlich wieder ganz klein. Und einsam …
Ich glaube, dass dieser Schritt, am Ende das zu tun, was ich wollte, eine der wichtigsten Entscheidungen in meinem Leben war. Es war ein Schritt, der doch wesentlich anstrengender war, als sich einfach dem hinzugeben, was andere von einem erwarteten. Und ich hatte stets die Gefahr vor Augen, mit meinem Vorhaben scheitern zu können und somit allen, die mir davon abgeraten hatten, doch noch recht zu geben.
Heute weiß ich, dass es richtig war. Wenn ich diese Zeilen schreibe, bin ich außerdem sehr glücklich darüber, dass meine Eltern mich zur damaligen Zeit einfach haben ziehen lassen und dass sie – auch wenn sie es nicht gerne taten – auch bei dieser Entscheidung zu mir gestanden haben und mich nicht mit einem schlechten Gefühl von zu Hause weggehen ließen.
Ich kann mich noch gut an meinen ersten Tag bei der Bundeswehr erinnern. Um mich herum viele Leidensgenossen, die alle nicht so recht wussten, was sie zu erwarten hatten. Da gab es jene – die Mehrheit –, die letztlich unfreiwillig eingezogen wurden, weil sie bei der Verweigerungsprozedur gescheitert waren, und dann die Exoten, zu denen ich zählte, die sich freiwillig für vier Jahre verpflichten wollten. Gemein war fast allen eines: Jeder hatte irgendwie Bammel und kaum einer hatte wirklich Lust auf den bevorstehenden Drill.
Auch wenn ich ein Zeitsoldat war, musste ich natürlich mit den Wehrdienstleistenden zusammen die sogenannte Grundausbildung machen. Man kann sich demzufolge vorstellen, mit welchem Maß an Unverständnis wir Zeitsoldaten von den Wehrpflichtigen angesehen wurden. Ich indes hatte eigentlich nur gehofft, dass ich nach der dreimonatigen Grundausbildung möglichst nahe an meine Heimatstadt versetzt werden würde und somit wieder zu Hause leben könnte. Mit dieser Wunschvorstellung, die für mich eigentlich gesetzt war, bestanden diese vier Jahre Bundeswehr in meinen Gedanken eigentlich nur aus drei Monaten Grundausbildung. Über die restlichen
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