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Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Titel: Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Maier , Hanna Maier
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eingelassen hatte. Dass offenbar weder ein Stapel Aufklärungsbücher noch ein
Bravo
-Abo mich klug genug gemacht hatten, um zu verinnerlichen, dass Sex wirklich zu Kindern führen kann.
    Heute wünschte ich, ich hätte mich in diesem Moment mehr auf meine innere Stimme verlassen und mehr Selbstbewusstsein an den Tag gelegt. Denn wir beide liebten Kinder im Allgemeinen und einander im Speziellen, und aus Spaß hatten wir auch schon darüber gesprochen. Aber es war eben alles immer nur Spaß gewesen.
    Als ich an diesem Abend bei meinen Eltern anrief, war Oscar wieder zurück aus Berlin und hörte vor Nervosität gar nicht auf zu rauchen. So wie ich in der Praxis suchte auch Oscar jetzt nach einem Mittelweg. Er lief vor seinem Schreibtisch auf und ab. Bei den Wendungen hob sich sein karierter Trenchcoat ein Stück, und seine Schiebermütze rutschte ihm immer tiefer ins Gesicht. Die Pfeife qualmte und qualmte. Daneben saß ich mit rot lackierten Nägeln auf dem Besucherstuhl. Heiße Tränen flossen über meine Wangen in meinen Lieblingsschal, den ich mir zum Schutz vor den eisigen Böen des rasch nahenden Herbstes umgeschlungen hatte. Meine Zigarette lag ausgelöscht im Aschenbecher. Doch auch Oscar hatte keinen besseren Vorschlag als: »Ruf deine Eltern an. Die sind erwachsen, vielleicht wissen die was.« Das war eine gute Idee. So unerwachsen, wie ich mich gerade fühlte, könnten ein paar Anranzer von Mittvierzigern nicht schlecht sein.
    Anja nahm den Hörer ab, und ich sagte: »Mama, ich muss dir was sagen. Aber ich weiß nicht, wie. Es ist so schwer.« Wir hatten schon länger nicht telefoniert. Die Tränen schossen wieder. »Mama, ich bin schwanger.« Ich rechnete mit allem, nur nicht mit solch einer Coolness: »Okay, steig in den Zug, und komm her, wir reden darüber. Atme erst mal durch, und wir sehen uns nachher, in Ordnung?« Erst viel später erfuhr ich erleichtert, dass sie selbst von ihrer Reaktion überrascht war und ihre eigene Mutter anrief, um sie zu fragen, ob ihre Reaktion so in Ordnung gewesen sei.
    Am Abend saß ich bei Anja und Stefan auf der Terrasse. In meinem Kopf herrschte ein einziges Chaos. Kurz bevor er explodierte, stemmten die beiden sich dagegen und strukturierten das Für und Wider meiner Situation. Die Argumente und die Tatsache, dass ich allein würde abwägen müssen, waren mir klar. Und doch hatte ich insgeheim gehofft, sie könnten mir die Entscheidung abnehmen. Es stand »Kinder kommen ohnehin früher oder später – bei dir eben früher« gegen »Wenn du nicht bald aufhörst, ans Rauchen zu denken, solltest du besser abbrechen«. Ich war mit dem »Mein Bauch gehört mir«-Gedanken aufgewachsen und hatte mir immer vorbehalten, derlei im Fall der Fälle frei zu entscheiden. Doch je länger ich abzuwägen versuchte, desto klarer wurde mir, dass eine Abtreibung nicht abzuschätzende Folgen für mein Kopf- und mein Bauchgefühl haben könnte. Aber sobald ich dies ausgeschlossen hatte, wurde mir wiederum umgehend klar, dass ein Kind zu bekommen genauso unabschätzbare Folgen für meine persönliche Entwicklung haben würde. Ich war in einer Sackgasse gefangen und konnte schlicht nichts entscheiden, rein gar nichts.
    Doch das war schneller und dringender nötig, als mir lieb war. Unsere Koffer für Amerika waren gepackt. Würde ich mich für eine Abtreibung entscheiden, müsste ich in den nächsten vier Wochen zum Arzt. Und wenn ich mich für das Kind entschied, bereitete mir der Gedanke, gerade jetzt einen Monat von Oscar getrennt zu sein, ebenfalls Bauchschmerzen.
    Es war zermürbend – an einem Tag wollte ich unbedingt mitfahren, um bloß endlich rauszukommen, und am nächsten Tag lag mir nichts näher, als mir ein Schneckenhaus aus Pappmaschee zu basteln und dort zu warten, bis der Winter kommt. Meine Gefühle fuhren Achterbahn, ich wollte so eine schwerwiegende Entscheidung einfach nicht allein fällen. Das hatte ich noch nie gemusst. Im ersten Moment war ich panisch, dann traurig, dann unendlich müde, dann zuversichtlich, dann hoffte ich auf den Zufall – und dann standen wir schon in San Francisco am Flughafen und holten unseren Mietwagen ab. In der sechsten Schwangerschaftswoche lag meine letzte Hoffnung auf der Wunderwirkung des Perspektivwechsels, und ich fuhr mit.
    Während unserer Rundreise war ich appetitlos, nahm ab, doch der Abstand zur Heimat tat mir gut. Trotzdem richtete sich meine Wahrnehmung ständig auf die amerikanischen Mütter, die amerikanischen

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