Als schliefe sie
Glückwunsch, Bräutigam!«, sagte er knapp und ging.
Das Auto fuhr los. Drinnen herrschte vollkommene Stille. Zu hören war nur der Beiruter Regen, der wie in Strippen fiel und prasselnd auf den Wagen trommelte. Milia schloss die Augen, öffnete sie, als Mansûr sie auf den Hals küsste.
»Nicht jetzt, später!«, wehrte sie ab, schob ihn von sich und sank wieder in den Schlaf. Das Auto schlängelte sich auf der kurvenreichen Straße die Berge hinauf. Den Kopf an die Wagentür gelehnt, schlief Milia. Sie öffnete die Augen, geweckt von Mansûrs Stimme. Er hieß den Fahrer weiterfahren. Das Auto stand still. Mitten in dichtem weißem Nebel. Milia schloss die Augen. Mansûrs Stimme aber war unangenehm laut, sodass sie zwangsläufig die Augen wieder öffnete.
Er könne nicht weiterfahren, weil er die Straße nicht sehe, widersprach der Fahrer.
Mansûr öffnete die Tür, sprang auf die Straße. Zwei Schritte, und er stand vor dem Wagen. Er drehte sich um und gab dem Fahrer per Handzeichen zu verstehen, dass er ihm folgen solle. Schlitternd bewegte sich Mansûr vorwärts. Das Auto rührte sich nicht von der Stelle. Mansûr machte kehrt, nahm Mûsas olivgrünen Mantel vom Rücksitz, zog ihn über. Er gehe jetzt voraus, sagte er und wies den Fahrer an, hinter ihm herzufahren.
Mansûr sei verschwunden, glaubte Milia. Sekundenlang hatte sie ihn nicht sehen können. Eisiger Wind schlug ihr ins Gesicht. Schneeflocken drängten sich im dichten Nebel. Milia hatte ihren Mann verloren. Kurz darauf tauchte er wieder vor der Windschutzscheibe auf. Er sah aus wie ein Gespenst, das den Wind zu erklimmen versucht.
»Tut mir leid, Verehrteste«, sagte der Fahrer. »Aber der Bräutigam ist übergeschnappt. Was soll ich machen?«
Vor Kälte und Angst schlotternd, schwieg Milia.
»Nun sagen Sie schon! Was soll ich machen?«, wiederholte er seine Frage.
»Fahren Sie ihm hinterher«, sagte Milia mit erstickter Stimme.
»Die Braut ist auch übergeschnappt! Himmel Herrgott, in was für einen Schlamassel bin ich geraten!«, schimpfte der Fahrer und trat aufs Gaspedal, worauf der Wagen ins Rutschen geriet.
Milia sah Mansûr. Die erloschene Kerze in der linken Hand, ging er voran. Das Gesicht dicht an der Windschutzscheibe, folgte der Fahrer dem windgeblähten olivgrünen Mantel im Schritttempo.
Er drehte den Kopf nach hinten. Milia sah zwei tiefschwarze Pupillen. Wie erloschene Kohlen sahen sie aus. Die Augen bohrten sich in sie hinein. Der Fahrer krächzte. Das Krächzen jagte ihr einen Schreck ein. Er solle nach vorne schauen und das Steuer richtig festhalten, forderte sie ihn auf. Denn die Reifen hatten keinen Halt, glitten über das Eis. Er aber wandte den Blick nicht von ihr. Ließ den Wagen langsam weiterrutschen, murmelte in einem fort unverständliches Zeug in sich hinein.
»Was sagen Sie da?«, fuhr ihn Milia an.
»Wer verbringt seine Flitterwochen mitten im Winter in Schtûra! Ihr Mann ist nicht mehr ganz bei Trost!«, sagte er.
Milia starrte in die Dunkelheit vor sich, merkte plötzlich, dass die vermeintlichen Pupillen zwei Dellen im haarlosen, von übelriechenden Fettflecken übersäten Hinterkopf des Fahrers waren. Die Schamröte von ihren Wangen verflog. Kälte kroch ihr wieder in die Knochen. Ihre Zähne klapperten. Sie presste die Lippen aufeinander, schloss die Augen, zusammengekauert am äußersten Ende der Rückbank.
Was der Fahrer alles gesagt hatte, wusste Milia nicht. Eines aber wusste sie genau: Er hatte viel geredet, viel geschimpft. Außerdem hatte er, um etwas zu sehen, wiederholt die Autotür geöffnet. Der rieselnde Schnee klang wie Geflüster. Eiskalter Wind schlug ihr ins Gesicht.
Milia wollte aus dem Traum erwachen. Wollte mit dem Mann sprechen, der in einem anderen Traum ihr Ehemann war. Sie öffnete die Augen, rieb sich die Wangen, fand sich im Auto wieder. Mansûr saß nicht neben ihr. Er war draußen, in weiter Ferne, lief durch den Sturm. Der Fahrer dagegen saß vor ihr, starrte sie aus seinen Pupillen an.
»Schlafen Sie um Himmels willen nicht ein! Bitte!«, sagte der Fahrer.
Milia sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Sah zwei rote Pupillen in seinem Hinterkopf. Die Pupillen bewegten sich. Vor Schreck entfuhr ihr ein Schrei.
»Heilige Jungfrau! Heilige Mutter des Lichts! Heilige Mutter Gottes, erlöse deine Diener!«, rief sie und sank wieder in den Schlaf.
Milia entging, was in dem Augenblick geschah. Sie hörte den Fahrer nicht. Hörte nicht, wie er »ein Wunder« rief. Sie sah
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