Als schliefe sie
ein mitzuessen. Er kommt, verschlingt das Brot mit einem Bissen. Milia reißt ihm das Rohr aus der Hand, rennt davon. Er rennt ihr hinterher. Sie kommt in einen üppig wuchernden grünen Garten, springt über Wasserpfützen. Seine Stimme gellt hinter ihr her. Sie soll stehen bleiben und ihm das Rohr zurückgeben, donnert die Stimme. Milia fällt hin. Hechelnd liegt der Onkel auf ihr. Sie öffnet die Augen. Onkel Mitri war nicht mehr da, der Tarbûsch auch nicht. Sie saß im Taxi umschlossen von dichtem Nebel.
Der Onkel war verschwunden, hatte aber einiges zurückgelassen. Ein Lächeln auf den Lippen der Frau. Einen roten, schräg nach vorn gekippten Tarbûsch auf dem Kopf des Mannes, den Milia zu lieben beschloss. Eine liegende Frau auf der Rückbank des Taxis. Milia gab sich ihr hin, tauchte in einen dunklen Traum, aus dem sie erst vor dem Masâbki-Hotel erwachte.
Dass Mansûr vor Kälte blau im Gesicht war, dass Bläue sich in seinen dunklen Teint gemischt hatte, merkte Milia erst kurz vor Mitternacht im Hotel.
Jemand rüttelte an ihrem Arm.
»Komm, wir sind da«, hörte sie Mansûrs Stimme.
»Was? Wo?«, fragte sie wie besinnungslos.
Dann aber fiel ihr wieder ein, dass sie eine Braut in den Flitterwochen war. Die Autotür öffnete sich. Mansûr stand draußen mit dem Koffer, wartete auf sie. Er zeigte auf die Hoteltür. Sie stieg aus. An seiner Seite gehend, schaute sie zurück. Ihr Blick fiel auf die Glatze des Fahrers. Er hatte die Stirn auf das Steuer gelegt, die Hände rechts und links neben dem Kopf wirkten schlaff. Er schien zu schlafen.
»Und der Fahrer?«, fragte sie.
»Mal sehen«, antwortete Mansûr.
Er führte sie an eine große Holztür, klopfte, klopfte lange. Endlich wurde geöffnet. Der Hotelbesitzer trug einen weißen Pyjama und darüber einen braunen Überwurf. Georges Masâbki schaute sie mit kleinen Augen an. Ungläubig. Er konnte kaum fassen, dass dieses merkwürdige Paar noch zu so später Stunde hereinplatze.
»Sie sind also das Brautpaar«, bemerkte er, von einem Hustenanfall erfasst, sodass er sich den braunen Ärmel vor den Mund hielt und der Satz halb erstickt herauskam.
Mansûr nickte und schaute zurück nach dem Taxi.
»Herzlich willkommen. Schön, dass Sie wohlbehalten angekommen sind. Ich dachte, Sie kämen wegen des Kälteeinbruchs gar nicht mehr. Aber bitte. Treten Sie doch ein. Das Zimmer ist gleich für Sie bereit«, sagte er und ließ sie im Eingang stehen.
»Wadî’a! Wadî’a!«, rief er. »Das Brautpaar ist da.«
»Was für eine Nacht!«, murmelte er, sich vor dem Ofen die Hände reibend. »Wadî’a! Wo bleibst du? Heize den Ofen im Brautzimmer an und komm! Wissen Sie, mein Herr…«, sagte er und drehte sich Mansûr zu.
Mansûr war verschwunden. Milia stand allein da im braunen Mantel, unter dem das weiße Brautkleid herausschaute. Ihre großen Augen wirkten müde, und die Wangen hatten sich schon ein wenig gerötet.
»Wie heißen Sie, verehrte Braut?«
Milia schaute nach rechts, als suche sie die Person, die der Hotelbesitzer ansprach. Mit der Hand auf sich zeigend, fragte sie, ob er vielleicht sie meine.
»Ja, wen denn sonst! Sie sind doch die Braut, oder etwa nicht!«, sagte Georges Masâbki und musste so heftig husten, dass er sich krümmte.
Er nahm Platz und bot der Braut den Sessel neben sich an. Milia rührte sich nicht von der Stelle, wartete im Stehen auf Mansûr. Sie wusste nicht, warum. Aber plötzlich schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass Mansûr sich womöglich gerade davonschleiche. Sie sah ihn. Sah, wie er zum Taxi zurückging, einstieg und den Fahrer anwies, nach Beirut zu fahren.
»Und was mache ich?«, murmelte Milia in sich hinein.
»Nun setzen Sie sich doch her«, wiederholte Georges Masâbki. »Gleich kommt Wadî’a, und dann können Sie mit Ihrem Mann ins Zimmer.«
Milia legte die Hände auf die Augen. Sie hörte Mansûr. Er sprach mit dem Hotelbesitzer. Bat um ein zweites Zimmer.
Sie waren zu viert in der großen Hotelhalle. Am Eingang ein kleiner schwarzer Tisch, dahinter das Bord mit den Zimmerschlüsseln. Milia fiel auf, dass kein Schlüssel fehlte. Das Hotel ist bestimmt leer, dachte sie. Drei Sessel mit rotem Samtbezug im Halbkreis um einen eisernen Ofen. Auf dem Boden ein Perserteppich, bestickt mit Tiermotiven, die vorherrschende Farbe rot. An der Wand Bilder, aufs Geratewohl angeordnet. Die drei Ankömmlinge standen in der Halle. Herr Masâbki saß nach wie vor. Noch einmal rief er nach Wadî’a, stieg dann die
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