Als schliefe sie
langes schwarzes Kleid an und schritt, geleitet von ihrem Vater, den drei Schwestern und deren Ehemännern, in die Nacht hinaus. Der Brautzug hatte etwas von einer Beerdigung. Am Kirchentor erwartete Salîm in seidener, mit Goldfäden durchwirkter Abâja 1 und mit rotem Tarbûsch auf dem Kopf seine Zukünftige. Er war auf ihren Wunsch hin allein erschienen. Das Brautpaar trat bei Kerzenlicht vor den Altar und wurde von Pater Andrawus getraut. Anschließend zogen die beiden in Salîms Haus. Der Bräutigam hatte zwar eine Kutsche mit Vierergespann bestellt. Die Braut aber wollte nicht einsteigen, sondern lieber zu Fuß gehen. Also hakte sie sich bei ihrem Mann ein und tauchte still mit ihm in die Dunkelheit.
Hat Salîm irgendwann von der Geschichte mit Ferdinand erfahren und sich dafür an seiner Frau rächen wollen? Oder war das, was Jûsuf für Rache hielt, eher Salîms unbeholfene Reaktion darauf, dass er infolge einer Mumpserkrankung nur ein Kind hatte zeugen können?
»Was für eine Geschichte«, sagte Milia zu ihrer Mutter. »Ein Mann freut sich das ganze Leben darauf zu heiraten. Und wenn es endlich so weit ist, glaubt er, etwas anderes suchen zu müssen.«
»So sind die Männer, mein Kind. Männer sind hohl. Sie haben kein Leben, das sie ausfüllt. Wer kein Leben schenken kann, fühlt sich leer und führt sich auf wie ein Affe. Er stellt laufend Unfug an und macht den anderen das Leben schwer… Da kann nur Gott helfen!«
Salîm lernte von seiner Frau, die Dunkelheit als Vorhang zu nutzen und sich dahinter zu verstecken. So machte es Hasîba. Munter wurde sie erst nachts. Sie kochte und putzte im Schein der Öllampe. Und sobald ihr Mann ins Geschäft ging, legte sie sich, auf das Tageslicht gebettet, schlafen.
Jûsuf überredete sie zu dem Umzug in das neu von Salîm gekaufte Haus.
»Sei nicht albern, Mutter. Das ist ein Haus wie jedes andere.«
Dann aber fand sie heraus, dass das Haus von Khawâdscha Sergius Aftimus für seine ägyptische Geliebte gebaut worden war und dass besagte Ägypterin auch Salîms halb offizielle Geliebte war. Daraufhin verlor Hasîba die Beherrschung und wurde laut.
Von Enttäuschung, Verletzung und Schmach wie am Boden zerstört und immerzu weinend, erfuhr sie zudem die Wahrheit über den Vorfall mit dem Stein, der Jûsuf fast das Auge gekostet hätte. Die Familie war gerade in das Haus eingezogen, das Salîm nach dem Tod seiner ägyptischen Geliebten von Khawâdscha Aftimus’ Erben erstanden hatte. Was Hasîba erschütterte, war nicht die Tatsache, dass ihr Mann sie betrogen hatte. Nein, er tat ihr leid. Ja, das gesamte männliche Geschlecht tat ihr, wie sie ihrem einzigen Sohn erklärte, maßlos leid. Unerträglich fand sie jedoch, dass sie in solch einem dschungelartig zugewucherten Bau hausen musste, in dem es vor Schlangen und Skorpionen wimmelte, nur weil Salîm seiner ägyptischen Geliebten unerschütterlich die Treue hielt.
Keiner fragte Hasîba, wie sie hinter Salîms Verhältnis gekommen war. Denn sie erfuhr davon erst, als die Sache ohnehin allgemein bekannt war. Und allgemein bekannte Geschichten brauchen nicht erzählt zu werden. Wie ein Geruch breiten sie sich von selbst aus.
Der Skandal stank bereits zum Himmel und hüllte Hasîba in ein ganz neues Schwarz.
Was sie irritierte, war, dass sie sich derart hatte täuschen lassen.
»Schakal, Hundesohn«, schimpfte sie ihren Mann.
Ein Schakal war Salîm im wahrsten Sinne des Wortes. Kaum ein Mann fürchtete seine Frau so sehr wie der Zimmermann die schwarze Hasîba. Doch dann musste sie eines Tages feststellen, dass Scheu und Unterwürfigkeit nichts als Schein waren und dass sich dahinter in Wirklichkeit ein bösartiger, rachsüchtiger Mann verbarg.
Aber wofür rächte er sich in Anbetracht seines Zustands?
Salîm war nicht zu beneiden. Nach der Geburt seines Sohnes Jûsuf bekam er Mumps. Im Volksmund auch »Beule« genannt, weil die Lymphdrüsen anschwellen, ist Mumps als reguläre Kinderkrankheit in jungen Jahren ungefährlich. Erkrankt aber ein Erwachsener daran, dann sieht die Sache anders aus. Beim Mann kann die Fruchtbarkeit in Mitleidenschaft gezogen werden. Entzünden sich nämlich die Hoden, kostet es den Betroffenen die Zeugungsfähigkeit.
Genau das widerfuhr Salîm. Lange hatte er mit dieser üblen Krankheit zu kämpfen. Der traditionelle arabische Arzt besuchte ihn etliche Male und verschrieb ihm bittere Kräuter, die er, in Wasser aufgekocht, als Tee zu trinken hatte. Als er schließlich
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