Als schliefe sie
vollkommen genesen war, eröffnete ihm der Arzt, dass es mit der Fruchtbarkeit vorbei sei, dass er keine Kinder mehr zeugen könne und dass er sich mit dem einen Sohn begnügen müsse, den Gott ihm geschenkt hatte. An dem Punkt wendete sich das Blatt. Salîm konnte seine ehelichen Pflichten nicht mehr erfüllen. Plötzlich war an ihm alles erschlafft. Er spielte mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen. In seiner Verzweiflung suchte er einen anderen Arzt auf. Der bestätigte, dass Mumps die Zeugungsfähigkeit beeinträchtige, sah aber keinen Zusammenhang zwischen Krankheit und Potenzschwäche. Er verschrieb Salîm Tonika und riet ihm, zum Frühstück Honig und Pinienkerne zu essen. Doch nichts half. Allerdings hielten Pinienkerne auf diese Weise Einzug in den Speiseplan des Hauses. Jûsuf aß seither mit Begeisterung Pinienkerne und gab diese Vorliebe an seine Kinder weiter. Als Milia die Küche übernahm, machte sie Pinienkerne zum festen Bestandteil fast aller Gerichte. Sie mischte sie unter gekochten Bulgur und gefülltes Gemüse und garnierte Süßspeisen damit. Sogar Qatâjif-Taschen 2 füllte sie mit Pinienkernen, was in Beirut damals nicht üblich war und wohl bis heute nicht ist. Dieses Rezept war ausschließlich Milias Familie bekannt und fand etwas weitere Verbreitung, als die Söhne heirateten. Denn sie hielten ihre Ehefrauen an, die Süßspeise in der gleichen Art zuzubereiten.
»Pinie« sei, so behaupten einige Geschichten, ein anderer Name für Beirut. In Wirklichkeit aber waren diese Bäume eine ägyptische Errungenschaft. Ibrâhîm Pascha, der Eroberer Libanons und Syriens im 19. Jahrhundert, hat in Beirut einen Pinienwald anpflanzen beziehungsweise wieder anpflanzen lassen. Ob das wahr ist, weiß nur Gott allein. Jedenfalls aß Salîm die Pinien des Ibrâhîm Pascha in Honig. Jeden Morgen und jeden Abend. Vergeblich. Sobald er sich nachts seiner Frau näherte und das Leben in sich aufsteigen fühlte, fiel er von einem Moment auf den anderen in sich zusammen. Hasîba sagte kein Wort. Schweigend spürte sie sein Gewicht auf sich. Er strengte sich an, hörte unvermittelt auf, drehte sich um und stellte sich schlafend. Salîm hat »trockene Erde zu kosten bekommen«. Die Einzige, die ihn aus seiner Misere retten konnte, war die Ägypterin. Woher hatte er diese Redewendung? Wie kam es, dass er neue Kraft schöpfte, indem er den ägyptischen Dialekt annahm und sogar mit seinem Sohn so sprach wie die Pharaonennachfahren? Zweifellos stammte die Redewendung von ihr. Sie heiße Mariam, sagte sie. Salîm hat nie in Erfahrung gebracht, ob das ihr wirklicher Name war. Wahrscheinlich stammte sie von einem der Gefolgsleute ab, die Ibrâhîm Pascha auf der Expedition an der levantinischen Küste begleiteten. Und hier stellten sich die Fragen, die Jûsuf immerzu beschäftigten und auf die er keine Antwort fand. Wer war diese Frau? Und wie war sie in das Leben der Familie getreten? Diese Fragen hatten ihn sein rechtes Auge gekostet und jenen Gedanken aufkommen lassen, der ihn sein Leben lang begleitete und auf seine Kinder überging. Den Gedanken, dass Väter imstande sind, ihre Kinder zu töten. Als die Wahrheit ans Licht kam, redete sich Salîm damit heraus, dass er Jûsuf für einen Einbrecher gehalten und nur deshalb einen Stein nach ihm geworfen habe. Ihm sei nie in den Sinn gekommen, dass sein Sohn ihn bespitzeln könnte. Der Stein traf den Jungen am Auge, das seither halb geschlossen war. Salîm aber ging daraufhin mit stolz geschwellter Brust in das Haus seiner ägyptischen Geliebten.
Mariam war nicht Salîms Geliebte. Sie war die Geliebte eines anderen Mannes. Eine Geschichte, verworren wie ein Haufen Wollfäden. Salîm hat keiner Menschenseele je von seiner langjährigen Beziehung zu der Ägypterin erzählt. Am Ende seiner Tage allerdings zeigte sich, sobald er auf das Thema angesprochen wurde, ein dümmliches Lächeln auf seinen Lippen, und schon begann er ein Loblied auf den schönen Mandelbaum zu singen, der ihn zum Kauf des Hauses bewegt habe. Mariams offizieller Geliebter, Herr Sergius Aftimus, war nicht verheiratet. Er gehörte zu den ersten Männern im Libanon, die Abâja und Tarbûsch ab- und europäische Kleidung anlegten. Ein eingefleischter Junggeselle. Er hatte in Paris Architektur studiert und zählte zu der Generation libanesischer Architekten, die den italienischen Kolonnadenstil in die geräumigen, von wohlhabenden Seidenhändlern erbauten Häuser Beiruts einführte. Weshalb ein lediger
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