Als schliefe sie
wussten über Salîm Bescheid, bis auf seine Frau. Und das wiederum ist eine Sache, die ich nicht glaube. Nein, sie war von Anfang an im Bilde, spielte aber die Ahnungslose. Was sie so aufgebracht hat, ist mir ein Rätsel. Wozu die ganze Aufregung? Bei dem Mann war eh nichts mehr zu holen. Seit seiner Erkrankung war doch der Ofen aus. Jedenfalls, als sie herausfand, dass das Haus der Ägypterin gehört hatte und sie in deren Bett schlief, fing sie an zu jammern und wollte nur noch sterben. Sie übergoss sich mit Petroleum und war gerade im Begriff, sich anzuzünden, als Jûsuf sich auf sie warf und alles, Gott sei Dank, ein gutes Ende nahm.«
Wie ging es Salîm, als ihm klar wurde, dass er impotent war? Auf diese Frage gibt es keine Antwort.
»Er hat trockene Erde zu kosten bekommen«, kommentierte Mariam, die Ägypterin.
Er suchte zig Ärzte auf. Vergeblich. Dann aber trugen ihn seine Beine an jenen Ort, und sofort war das Problem verschwunden, als habe es nie existiert. Khawâdscha Sergius Aftimus hatte bei ihm ein Bett aus Nussholz in Auftrag gegeben. Salîm schreinerte das Möbelstück und lieferte es mit Hilfe seines Sohnes Jûsuf am Bestimmungsort ab. Und dort erblickte er sie und das Licht. Er war todunglücklich. Nacht für Nacht übermannte ihn stumme Lust. Kaum näherte er sich jedoch seiner in ein langes Nachthemd gehüllten Frau, erkaltete er schlagartig. Bei der kleinen, fülligen brünetten Vierzigerin dagegen fühlte er sich als Mann. Er stellte das Bett in den Lîwân, nickte der Frau zum Gruß zu und nahm seinen Sohn bei der Hand, um zu gehen.
»Halt«, rief sie ihn zurück. »Nicht zu fassen! Erst muss das Bett ja wohl ausprobiert werden! Also einen Moment Geduld noch, Meister!«, sagte sie in ägyptischem Dialekt, und unwillkürlich rieselte ihm ein Schauer durch die Wirbelsäule. Sie setzte sich aufs Bett, stützte sich auf einen Ellenbogen, wie um sich hinzulegen. »Großartig!«, rief sie entzückt. Sie stand auf und gab ihm dankend die Hand. Er spürte, wie sie seine große, raue Hand drückte.
»Schauen Sie bald einmal wieder vorbei, Meister«, hörte er sie sagen. Er verstand und beschloss, der Aufforderung nachzukommen.
Er habe ihre Geste und Worte auf Anhieb verstanden, verriet er ihr später, worauf sie in Lachen ausbrach. Sie leugnete, so etwas von sich gegeben oder auch nur im Sinn gehabt zu haben. Das habe er sich eingebildet.
Nein, diesen Dialog hat sich Milia wohl später ausgedacht. Denn keiner, nicht einmal Jûsuf, wusste, wie sich die Dinge danach entwickelten und es schließlich zu der Beziehung kam. Sie habe ihren Großvater im Traum gesehen, erklärte Milia. Auf den Hügeln sei er durch Gestrüpp gehüpft und ein völlig anderer Mensch gewesen. Plötzlich wieder jungendlich frisch und vor Kraft strotzend, habe er glucksend gelacht wie früher, bevor er den Schlag erhielt. Er habe der Ägypterin wohl die Ehe versprochen. Außerdem habe er, wie es hieß, ernsthaft überlegt, zum Islam überzutreten. Gott aber habe eingegriffen und Hasîba vor der Schande bewahrt. Denn die Ägypterin starb überraschend. Und zurück blieben nur das Haus und ihr Schatten, der bis an Hasîbas Ende durch die Räume spukte.
Als Salîm ihr den Antrag machte, lehnte sie ab. Sie ließ ihre Reize spielen und sprudelte vor Lust geradezu über. Es war das erste Mal, dass sie ein solches Angebot bekam. Khawâdscha Aftimus hatte sie immer als Mätresse behandelt. Er hatte sie aufgenommen, eine Dame aus ihr gemacht, ihr dieses schöne Haus inmitten von Bäumen errichtet, und er besuchte sie ein Mal im Monat. Die Ehe aber hat er ihr nie angetragen. Und das hat sie auch nicht erwartet. Khawâdscha Aftimus war fünfundsiebzig Jahre alt. Er besuchte sie stets am ersten Mittwoch im Monat und zahlte ihr, was kraft der Gewohnheit zu ihrem Monatslohn geworden war. Die beiden sprachen über die Liebe in der Vergangenheitsform, und dann ging Khawâdscha Aftimus wieder. Er hielt ihr, die er, als sie in den Zwanzigern war, geliebt hatte, die Treue. Außerdem hatte er sie vor dem Schicksal bewahrt, in das Prostituierte von dem osmanischen Gesetz gedrängt wurden. Es zwang gefallene Frauen, in einem geschlossenen Viertel zu leben, das später nach dem größten arabischen Dichter »al-Mutanabbi« benannt werden sollte. Aftimus hatte Mariam seinem Schutz unterstellt und behandelte sie als zu respektierende Mätresse eines Beiruter Aristokraten, der er war.
Mariam sei, so die Geschichte, unerwartet gestorben. Die
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