Als unser Kunde tot umfiel
sollen, gut und schön, aber das schien mir doch in die falsche Richtung zu gehen. Der Blick auf die Pausenzeiten von Herrn Rost ließ die Begründung, zu wenig Zeit zu haben, genauso aussehen wie ein Aktfoto im Pfarrblatt – absurd.
Ich wollte mich aber nicht sofort von meinem aufgewühlten Inneren leiten lassen und Herrn Rost in mein Büro zitieren, sondern zog noch einmal die emotionale Handbremse an. Eine Strategie musste her, wie ich mit der Situation umgehen wollte. Eine Tasse Earl-Grey-Tee half mir beim Überlegen. Die Gedanken kreisten, während ich im Büro auf und ab lief. Bei einem Kritikgespräch droht immer Gefahr, dass der Mitarbeiter gleich die Koffer packt und kündigt. Und wenn schon nicht konsequent mit Taten, dann zumindest innerlich. In der aktuellen Situation einen Mitarbeiter wieder einzufangen, der innerlich schon lange weg ist, das konnte ich im vierten Quartal des Geschäftsjahres, dem wichtigsten, überhaupt nicht gebrauchen.
Ich wollte ihm noch einmal eine Chance geben, denn schließlich sind aller guten Dinge drei. Außerdem kam ich so um die Situation des leidigen Kritikgesprächs vielleicht doch noch einmal herum. Ich schrieb ihm also eine Mail.
„Lieber Herr Rost, Kundenakquise gehört, wie Sie wissen, zu Ihrem Aufgabenbereich und ist klar in der Stellenanforderung für Ihre Position beschrieben. Da Sie sich Ihre Arbeitszeit und Pausen selbstständig einteilen können, gehe ich davon aus, dass ein gutes Zeitmanagement Ihnen die Erledigung der zusätzlichen Aufgabe ermöglicht. Falls Sie noch Fragen haben, steht Ihnen meine Bürotür jederzeit offen.“
Ich las alles noch einmal durch und war mit mir zufrieden. Besonders meine subtile Anspielung auf das Zeitmanagement fand ich ausgesprochen gelungen. Ich klickte auf „senden“. Jetzt musste ich mich beeilen, das nächste Meeting stand schon an. Schnell noch die Unterlagen zusammenpacken und los. Am Weg zur Tür hörte ich das „Pling“, mit dem der Eingang einer neuen E-Mail akustisch angezeigt wurde. Das kann jetzt unmöglich die Antwort von Herrn Rost sein, dachte ich, schaute aber neugierig schnell noch auf den Posteingang und las den Absender Peter Rost. „Das darf doch wohl nicht wahr sein“, sagte ich mir. Egal, ich konnte es in diesem Moment nicht lesen, da ich ohnehin schon zu spät für das Meeting war. Während des gesamten Treffens drehten sich meine Gedanken nur um die Mail von Herrn Rost. Was mag er wohl geantwortet haben, ist das Thema endgültig vom Tisch? Oder ging es jetzt erst richtig los? Meine Frage wurde nach dem Meeting schnell beantwortet. Als ich wieder im Büro war, las ich die Mail. Ich überflog die ersten Zeilen. Dann klebten meine Augen an dem folgenden Satz: „… möchte ich meine Aussage mit Nachdruck bekräftigen, dass ich es zeitlich auf keinen Fall mehr in meine bisherigen Tätigkeiten mit einbinden kann.“ Ich ließ mich fassungslos in meinen Sessel fallen und blickte starr aus dem Fenster.
Palluch vs. Hinrichsen – Kritikgespräche richtig führen
Hinrichsen: Oje, das kenne ich – ich hatte auch einmal einen Mitarbeiter mit Null-Bock-Einstellung – nach dem Motto: „Sag mir, was ich machen soll, und ich sage dir, was ich machen will“.
Palluch: Ja, das war echt unverschämt! Ich habe mich maßlos geärgert! Und das passiert dann ja auch immer in den brenzligsten Situationen, wenn du mit dem vollen Einsatz deiner Crew rechnen musst. Kritikgespräche sind dann das Letzte, was du brauchst.
H: Aber warum hat sich die Situation denn eigentlich so aufgestaut? Normalerweise müsste es doch zumindest Jahresgespräche oder so etwas geben.
P: Gab es ja auch, nur taugen die nicht, um aktuelle Themen zu besprechen. Wenn ich warte, um so etwas bei einem Jahresgespräch vorzutragen, weiß doch kein Mensch mehr, was da abgelaufen ist. Häufig ist es außerdem so, dass sich Chefs über etwas ärgern, doch wenn es dann zum Kritikgespräch kommt, machen sie einen Rückzieher oder knicken ein, sobald sie auf Widerstand treffen.
H: Und woran liegt das?
P: Naja, bei so einem Gespräch schwingt auch immer die Angst mit, den Mitarbeiter zu verprellen. Was mache ich denn, wenn er nach dem Gespräch auf stur schaltet und nur noch Dienst nach Vorschrift schiebt?
H: Kann ich nachvollziehen. Aber die Alternative ist doch, dass er stattdessen weiter mit Vollgas auf dem Holzweg unterwegs ist. Da muss ich als Chef doch etwas unternehmen. Aber ich habe selbst Mitarbeiter erlebt, die einen ganz schön
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