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Als wir Roemer waren

Als wir Roemer waren

Titel: Als wir Roemer waren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Kneale
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bin.« Da wurde ich richtig traurig, ich hab gedacht, »die arme Mum, ihre Ringe«, ich hab gedacht, »dabei sind sie so schön, vor allem der eine, mit dem roten Ding in der Mitte«, und ich hab gesagt, »willst du sie denn wirklich verkaufen?«, aber Mum hat gesagt, »mir bleibt leider nichts anderes übrig, Lawrence.« Also sind wir wieder in das erste Geschäft gegangen, und der Mann hat ihr ein paar Euros gegeben, und Mum hat gesagt, »damit müssten wir fürs Erste auskommen.«
    Alles hat gedauert und gedauert, ich war so wütend, ich hätte am liebsten wo gegengetreten. Jemima hat gesagt, »ich hab Hunger, ich will ein Butterbrot«, und wie ich gesagt hab, »das geht nicht, Jemima«, hat Mum gesagt, »ich glaube, wir brauchen alle was zu essen.« Es hat ewig gedauert, Jemima trödelt immer so beim Essen, wie wenn sie es mit Absicht macht, und dann hat sie rumgeschrien, bis alle zu uns rübergeguckt haben und Mum ihr ein Himbeereis gekauft hat. Ich hab gedacht, »jetzt aber, endlich«, aber dann kam raus, dass wir den nächsten Zug nicht nehmen konnten, weil der schon voll war, wir mussten auf den dritten warten. Ich hab Mum zugeflüstert, »heißt das, wir kommen heute doch nicht mehr bis nach Schottland?«, und sie hat gesagt, »leider nicht, Lawrence«, und da bin ich noch saurer geworden, ich hab gedacht, »das ist alles Jemimas Schuld, wir hätten sie einfach in der Wohnung in Rom lassen sollen, mit jeder Menge Wasser und Brot.«

    Aber dann ist was Gutes passiert, das war eine Überraschung. Wie wir in England aus dem Zug raus waren, hab ich gedacht, »jetzt fahren wir wieder auf die Autobahn«, aber ich hatte unrecht, Mum ist in eine kleine Straße eingebogen und hat auf dem Parkplatz vor einem Supermarkt angehalten. Sie hat sich auf dem Sitz umgedreht und mich angeguckt und gesagt, »hast du nicht was vergessen?« Mir ist nichts eingefallen, und ich hab gesagt, »was meinst du?«, und da hat sie gelacht und gesagt, »Hermann natürlich.« Ich hab gesagt, »au ja, hurra hurra!« Das war herrlich, keiner hatte ihn bemerkt, und jetzt musste er nicht ins Gefängnis. Wir haben ihn aus dem Kofferraum geholt, und es ging ihm gut, er war nicht erstickt, also hab ich das Papier aus seinem Rad rausgenommen, und er ist gelaufen und gelaufen, ich hab ihm frisches Wasser und Nüsse gegeben, und er hat mich angeguckt, wie wenn er sagt, »danke, Lawrence.«
     
    Das schwarze Loch in der Mitte von der Milchstraße ist ziemlich klein, aber trotzdem schrecklich, es ist so gierig wie ein großes Maul, und wenn mal was reingeraten ist, kommt es nie wieder raus, es ist weg, für immer und ewig. Um das Loch drum rum ist eine geheime Linie, die kann keiner sehen, aber sie ist da, und sie heißt Ereignishorizont, und bei dem muss man echt aufpassen, man darf nie aus Versehen drüberfahren, sonst wird man sofort in das schwarze Loch reingezogen, und nichts kann einen mehr retten, und man kommt nie wieder raus.
    Am Ereignishorizont gibt es jede Menge Staub, er ist wie eine große Scheibe, die sich immer schneller und schneller dreht, bis sie reinfällt, wie Wasser, das in den Abfluss strudelt. Und weil der Staub so kurz vor dem Reinfallen ist, macht er was Komisches, er spuckt jede Menge Strahlen aus, Röntgenstrahlen und Radiowellen, die Wissenschaftler können sie durch ihre Fernrohre sehen, und sie sind
ziemlich furchtbar. Wie wenn der arme Staub schreit, wie wenn er sagt, »o nein, ich werde in das schwarze Loch reingezogen, ich komme nicht mehr raus, keiner wird mich je wiedersehen, ich werde platt gequetscht, das ist schrecklich«, wie wenn er sagt, »helft mir.«
    Es wurde schon dunkel, und Jemima hat gerufen, »guckt mal, da ist die Kirche und da der Laden und da das Haus von Mrs. Potter, und da sind die Bäume, die so komisch aussehen, wie Haare. Wir sind bestimmt bald da«, und ich hab gedacht, »au nein, jetzt wirds übel, Dad hat bestimmt bei uns eingebrochen und alles kaputtgemacht, und was sollen wir dann Jemima sagen, dass es Einbrecher waren?« Aber ich hatte unrecht, das war eine Überraschung, alles war noch genauso wie vorher, und es war seltsam, ins Wohnzimmer zu kommen und unsere ganzen Sachen zu sehen, die noch vom Packen auf dem Fußboden lagen. Wir haben uns an den Tisch gesetzt, und Mum hat uns Toast mit gebackenen Bohnen gemacht. Ich hatte ein komisches Gefühl, es war, wie wenn wir gar nicht weg waren, wie wenn wir die ganze Zeit da gewesen sind und Rom gar nicht echt war, sondern ein Film. Aber dann

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