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Als wir Roemer waren

Als wir Roemer waren

Titel: Als wir Roemer waren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Kneale
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fahren«, und da ist es mir wieder eingefallen. Ich hab gedacht, »o nein, das ist eine Katastrophe, wieso hab ich das vergessen, wie blöde«, und ich hab gesagt, »warte, Mum, was ist mit Hermann?«,
weil er in seinem Käfig direkt neben mir stand, jeder, der reinguckte, konnte ihn sofort entdecken.
    Mum hat gesagt, »O Gott«, und sie hat den Wagen ein bisschen nach rechts rumgezogen, und wir sind am Straßenrand stehen geblieben und haben die anderen Autos vorbeigelassen. Ich hab gesagt, »soll ich ihn in meine Jackentasche stecken?«, aber eigentlich war ich nicht überzeugt, dass das eine gute Idee war. Phil Green hat nämlich mal seine Maus in der Jackentasche mit in die Schule gebracht, und sie ist abgehauen, sie war weg und ist nie wieder aufgetaucht. Mum hat gesagt, »wir stellen seinen Käfig in den Kofferraum.« Und das haben wir dann auch gemacht, ich hab ein Stück Papier zusammengefaltet und damit das Laufrad festgeklemmt, damit es sich nicht drehen kann und quietscht. Der arme Hermann hat versucht, da drin zu laufen, und dann hat er mich ganz traurig angeguckt. Ich hab gesagt, »es tut mir leid, Hermann.« Dann haben wir eine Decke über seinen Käfig gelegt, und Jemima hat gesagt, »was machen die, wenn sie ihn finden, kommt er dann ins Gefängnis?«, und da bin ich wütend geworden, ich hab gesagt, »halt die Klappe, Jemima, das geht dich gar nichts an.« Wie wir wieder im Wagen waren und weitergefahren sind, hat Mum gesagt, »ich hab noch nicht mal geguckt, ob da eine Überwachungskamera war, o Gott«, sie hat uns gesagt, wenn wir dem Mann von der Passkontrolle unsere Pässe zeigen, sollen wir lächeln, aber nicht zu doll, wir sollen ein ganz normales Gesicht machen.
    Ich hab versucht, ein normales Gesicht zu üben, ich hab mich im Fenster angeguckt, aber man konnte kaum was erkennen mit den Autos und der Straße und dem Himmel dahinter, ich sah durchsichtig aus, wie ein Geist, deswegen wusste ich nicht, ob ich ein normales Gesicht mache oder nicht, und dann hat Mum auf dem Parkplatz angehalten, wo es die Fahrkarten gibt. Sie hat gesagt, »hoffentlich müssen
wir nicht zu lange auf einen Zug warten, manchmal sind sie schon ausgebucht«, und da hab ich gedacht, »und der arme Hermann? Wenn es ewig dauert, muss er vielleicht unter der Decke ersticken.« Ich wollte ihn wieder rausholen, aber Mum hat gesagt, »Lawrence, lass ihn bitte drin.«
    Dann hat sie uns eingeschlossen, und wir haben dagesessen, Jemima hat Kribbel-Krabbel-Spinne gesungen und mit den Schuhen gegen den Vordersitz getreten, wie immer, und ich hab versucht, nicht an Hermann zu denken. Ich hab gedacht, »das Flugzeug da oben ist aber hoch, es sieht aus wie ein Stück Kreide, das ganz von alleine einen Strich malt.« Ich hab gedacht, »Mum braucht aber ganz schön lange, um unsere Fahrkarten zu kaufen.« Wie sie endlich wieder da war, hat sie so ein besorgtes Gesicht gemacht, dass ich gleich wusste, es ist was schiefgegangen, und ich hatte tatsächlich recht, wie sie eingestiegen ist, hat sie gesagt, »ich fasse es einfach nicht, meine Kreditkarten sind alle nicht gegangen. Ich hätte schwören können, dass gerade noch genug drauf ist.«
    Das war neu, das war übel. Ich hab gesagt, »was machen wir jetzt?«, und Jemima hat gesagt, »aber ich will weiterfahren, ich will meine ganzen Tiere und Puppen«, und Mum hat gesagt, »seid still, ihr zwei, ich muss nachdenken.« Sie hat sich gekratzt, ihre Hand war schon ganz rot obendrauf, und sie hat gesagt, »ich schätze, dann müssen wir wohl was verkaufen, aber was, mir fällt bloß das Auto ein«, aber Jemima und ich haben beide gerufen, »nein nein.« Ich hab gesagt, »das kannst du nicht Mum, doch nicht unser Auto, es ist wie unser Haus, und dann kommen wir hier nie mehr wieder weg.« Mum hat gesagt, »wir könnten immer noch mit dem Zug fahren«, aber ich hab gesagt, »und unsere ganzen Sachen? Die sind echt schwer, wie sollen wir die tragen?«, und Mum hat gesagt, »vielleicht könnte ich meine Ringe verkaufen.«

    Also haben wir umgedreht und sind in eine Stadt gefahren, Mum hat gesagt, »du meine Güte, der Tank ist auch fast leer, und ich hab nur noch zehn Euro.« Wir sind in ein paar Geschäfte gegangen, und Mum hat auf Französisch geredet, aber es war nicht so gut wie ihr Italienisch, sie musste zwischendurch immer wieder von vorne anfangen, wie wenn ihre Batterie leer war. Mum wurde sauer, sie hat gesagt, »sie sind das Doppelte wert, aber die sehen wohl, dass ich verzweifelt

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