Als wir Roemer waren
friedlich, und ich denke, »jetzt kann mir nichts mehr passieren, jetzt berappel ich mich wieder.«
Über Mum redet fast nie einer, Dad und die Glasgower nicht und auch nicht meine Freunde in der Schule. Aber ich denke noch an sie. Manchmal denke ich immer noch, »ob du wohl gleich um die Ecke kommst, Mum? Ob du gleich aus dem Bus steigst?«, aber das passiert nie. Manchmal bin ich stinksauer, wie wenn ich sie hasse, und dann denke ich, »hau ab, Mum, ich kann dich nicht leiden, ich will sowieso nicht, dass du aus dem Bus steigst.« Manchmal bin ich ganz traurig und denke, »schade, dass ich dir nicht erzählen kann, was für einen komischen Spruch Kevin Craig heute in der Schule gebracht hat.« Aber meistens fühle ich sie einfach. Es ist, wie wenn sie plötzlich mit mir spricht, das kann überall passieren. Ich gehe über den Spielplatz, und sie sagt, »tritt nicht in die Pfütze, Lawrence, mein Spatz, sonst machst du dir die Schuhe nass«, oder ich bin mit Dad und Jemima im Supermarkt, und sie sagt, »leg die Chips weg, wie oft muss ich es dir noch sagen. Da ist kein Bacon drin, das ist nur Chemie«, oder ich guck mir mit Jemima Robot Wars im Fernsehen an, und sie sagt, »genug ferngesehen, ihr zwei werdet mir noch richtige Stubenhocker.«
Ich glaub, Jemima kann sie auch hören, sonst würde sie nicht bei unserem Geheimspiel mitmachen. Wir spielen es nicht oft, nur manchmal, wenn wir zu Hause sind und keiner zuguckt, wenn Dad unten am Computer sitzt oder telefoniert. Es ist, wie wenn wir plötzlich beide Bescheid wissen, wir brauchen uns bloß angucken, und Jemima lächelt so komisch, wie wenn sie sich echt freut, aber auch ein bisschen Angst hat, weil sie es nämlich manchmal gar nicht gern spielt, weil sie manchmal weint.
Wir gehen nach oben ins Kinderzimmer, setzen uns auf den Boden, und dann fang ich an. Ich sage, »weißt du was, Jemima? Das Fenster da drüben ist gar nicht echt, es ist genau wie ein Computermonitor.« Bis dahin findet Jemima es noch gut, sie kichert und sagt, »meinst du etwa, wir sind
gar nicht in Schottland?«, und ich sage, »genau, Jemima, die ganzen Häuser und Zäune und Fernsehantennen sind gar nicht da, in Wahrheit sind es bloß Dächer und der Himmel«, ich sage, »hörst du die Kirchenglocken nicht?« Dann lacht Jemima und sagt, »doch, ich höre sie, sie bimmeln ganz laut«, und ich sage, »und jetzt fährt eine Straßenbahn vorbei und ein Polizeiauto mit so einer komischen Sirene wie ein Esel, und da, hörst du? Da spricht einer Italienisch. «
Wir sitzen eine Weile so da, und dann mach ich weiter, ich hab einfach Lust dazu, ich sage, »hörst du das leise Geräusch, Jemima? Weißt du, was das ist?« Ab hier findet Jemima es nicht mehr so gut, sie wird nervös und sagt, »nein.« Aber ich mache trotzdem weiter, ich sage, »das sind Mums Schritte, sie ist nebenan«, ich sage, »gleich kommt sie rein und sagt, ›los, Lesongfong‹, weil wir in einer Rosstitscheria Pizza essen wollen.« Dann sage ich, »was für eine möchtest du, Jemima?« Wenn sie antwortet, dann immer dasselbe, sie sagt, »Tomaten und Käse«, aber manchmal sagt sie gar nichts, sie sitzt bloß da, und ihre Augen machen blinzel blinzel.
Dann lehne ich mich auch zurück. Ich mache die Augen zu, und wir sind ganz still, und was soll ich sagen? Es ist, wie wenn wir in echt da sind. Ich bin wütend, aber irgendwie auch ruhig, das ist komisch. Ich denke, »es ist ein bisschen unheimlich hier, aber schön«, ich denke, »das ist ein echtes Abenteuer«, und ich denke, »eines Tages kommen wir wieder, Mum und ich und Jemima und Dad, und dann leben wir hier für immer und ewig.«
Danksagung
M ein besonderer Dank geht an Professor Raj Persau, der sich trotz seines vollen Terminkalenders die Zeit genommen hat, das Manuskript des Romans mehrere Male zu lesen. Seinem klugen und fachmännischen Rat verdanke ich alles.
Danken möchte ich außerdem Andrew Kidd, Nan Talese, Deborah Rogers, meiner Frau Shannon und unseren Kindern Alexander und Tatiana.
Die Originalausgabe erschien 2007
unter dem Titel When We Were Romans
bei Picador, London.
Die Arbeit der Übersetzerin wurde durch
den Deutschen Übersetzerfonds e.V. gefördert.
1. Auflage Deutsche Erstausgabe Copyright © 2007 Matthew Kneale Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2008 Luchterhand Literaturverlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH Satz: Greiner &
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