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Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
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blickte mit Wehmut zurück auf die einstige Größe der Compagnie und machte für deren Zusammenbruch jeden verantwortlich, nur nicht sich selbst. Er war überzeugt, dass sich ein solcher Erfolg nicht wiederholen ließe – ein, mit neunundzwanzig Jahren, verfrühtes Schicksal. Er kam schlecht mit seiner Enttäuschung zurecht, und oft nahm er sie mit nach Hause, war schnippisch und gereizt.
    Nach der Tour hatte er sich um Auftrittsmöglichkeiten bemüht, aber London war wankelmütig, wie es die großen Städte nun einmal sind, und hatte das Midnight Ballet offenbar längst vergessen. Es war, als ob Oscar, Ekow und die anderen Abtrünnigen das Feuer mit sich fortgetragen hätten und die Theater das spürten. Ein Intendant hatte ihm zu verstehen gegeben, seine Art zu tanzen, mit dem Getrommel und so, sei doch recht begrenzt und inzwischen längst passé . Dieser Tage wolle das Publikum lieber Klassisches sehen. In jüngster Zeit hatten sich für ihn nur sporadische Möglichkeiten aufgetan, in Surrey oder auf der Isle of Wight, bei schlammigen Open-Air-Festivals, als einer unter vielen. Entsprechend dankbar war Antoney, als ihm ein obskures Theater nahe der Edgware Road einige Abendtermine anbot; endlich bekam er die Chance, der Truppe zu ihrem einstigen Status zurückzuverhelfen. Die Auftritte waren für den kommenden Mai geplant. Antoney arbeitete während des ganzen Frühlings mit Simone an einem neuen Duo, begleitet von The Wonder und einem Ersatztrommler. Ricardo und Rosina sollten ebenfalls tanzen.
    Die Premiere war nicht gut besucht, aber am zweiten Abend lief es besser, obwohl Antoney zuvor die Absage auf seinen Förderantrag erhalten hatte. Damit fehlten ihm nun die nötigen Mittel, die Truppe zu finanzieren. Er tanzte dennoch gut, gestärkt von einer entsprechenden Menge Rums, dem er sich, nach einer längeren Unterbrechung, wieder ergeben hatte. Wie üblich verließ ihn seine Stimme eine Viertelstunde vorher.
    Als die Show vorüber war, folgte ihm die Niedergeschlagenheit bis in die Garderobe. Er glaubte, bei den anderen die gleiche Melancholie zu spüren. Niemand wollte mit ihm etwas trinken gehen. Simone zog sich rasch um und eilte mit The Wonder zum Bus, die anderen folgten bald darauf, und so blieb er alleine mit seiner Schminke, die er nicht abwischen wollte, vor dem Spiegel sitzen. Auf seiner Stirn sah er zwei Furchen. Er hatte überhaupt kein Verlangen danach, heim zu dem gestrandeten Boot zu gehen – sie waren lediglich einmal bis Camden und zur Limehouse Marina gekommen und hatten den Anker nun schon seit einem Jahr nicht mehr gelichtet. Er setzte seinen Hut auf, zog eine erschlaffte Nylonjacke an, missbilligte, was er im Spiegel sah, und ging allein durch die Welt, die hinter der Zauberkunst lag, zur Bühnentür. Er wusste nicht, wohin, außer vielleicht zu Riley. In der grauen Seitenstraße zündete er sich eine Zigarette an. Die Luft duftete frisch und parfümiert, obwohl zwei Häuser weiter die Küche eines chinesischen Schnellimbisses dampfte. Als seine Pall Mall die Flamme fraß, hörte Antoney eine Stimme.
    »Mr. Matheus.«
    Kokett. Selbstbewusst.
    Er sah auf, sie wandte sich ihm zu.
    Sie hatte lockendes Aprikosenhaar. Sie trug ein grünes Kleid, in einem satten, besonderen Grün mit großen, gleichfarbigen, stoffbezogenen Knöpfen, die auf halber Schenkelhöhe in einem Schlitz endeten. Heraus schaute ein langes Bein. Üppige grüne Rüschen, die sich an den Ärmeln bauschten und den Rocksaum umspielten, sprachen für eine unerwachsene Lust auf Spaß, wie auch das Täschchen in Goldfischform, das an ihrem angewinkelten Arm hing. Ihre Sandalen waren ebenfalls golden. Die intensiven Farben ließen ihre sehr blasse Haut überheblich scheinen, deren kühler Rosaton die Beine hinaufglitt, im Schlitz des Kleides verschwand und an der Halsgrube wieder zum Vorschein kam, wo sich die Abendschatten in der Lichtung ihrer Haare sammelten. Sie reckte ihm ein breites, maskulines Kinn entgegen. Die Mundwinkel schwangen nach oben, zu einem sanften Grinsen, unter dem Druck voller, bemalter, leicht geöffneter Lippen, die zur Mitte hin anschwollen und schimmerten. Um ihre kleinen, aufmerksamen Augen herum war hellblauer Lidschatten aufgetragen, der die kühle Rötung ihrer Haut noch zusätzlich betonte. Sie war perfekt zurechtgemacht. Eine strenge, sorgsam komponierte Schönheit.
    »Audrey Callaway.« Sie streckte ihm die Hand entgegen.
    »Kennen wir uns?«
    »An mich würden Sie sich erinnern.«
    Sie lehnte

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