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Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
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nach den Lichtern Kubas gesucht, und wenn der Himmel klar war, hab ich sie gesehen – ein gelbes Glühen am Rand der See. In solchen Momenten hatte ich immer das Gefühl, als wäre mein Vater noch nah. Ich hab mir immer vorgestellt, wie er zu Fuß zu seiner Mutter nach Baracoa geht, den Hut auf dem Kopf und im Herzen die Absicht, zu mir zurückzukommen, so wie er gesagt hat. Ich weiß bis heute nicht, ob er Wort gehalten hat, Riley. Ich hab wohl nie aufgehört, nach ihm Ausschau zu halten. Ich bin die katzenhafte Lady, die den ganzen Tag lang den Malecón auf und ab geht und darauf wartet, dass ihr Seemann zurückkehrt, und ich glaube, ich werde ewig warten. Ich werde wohl erst loslassen können, wenn ich selbst unter diesen Lichtern gegangen bin. Kannst du mir folgen? Es geht nicht darum, ihn zu finden. Sondern darum, sein Gespenst loszuwerden.«
    »Was würdest du ihm sagen, wenn du ihn finden würdest?«, fragte Riley.
    Einer der beiden entflammte ein Streichholz. »Ich würde ihm sagen, dass ich ihn verstehe«, antwortete Antoney. »Wenn ich Denise manchmal so in ihrem Bettchen seh, würd ich auch am liebsten weglaufen.«
    Nach dem Streit mit Denise hatte Lucas in der Kajüte schlafen wollen, aber nachdem er eine Weile in der fremdartigen neuen Stille gesessen hatte, ging er doch durch den Vorhang ins Schlafzimmer. Bevor er sich hinlegte, schob er die Kassette in seine private Schublade, zu dem Spielzeugbus seines Vaters. Er träumte wieder von seiner Mutter, es war der gleiche Traum, den er vor dem Interview mit Simone geträumt hatte, aber er nahm ein anderes Ende. Wieder wurde Lucas im Traum vom Rauschen des Wassers geweckt. Er horchte, mit offenen Augen, in die Dunkelheit. Schließlich brachte er genügend Mut auf und ging durch den Vorhang. Seine Mutter stand vor dem Becken, im gleichen Kleid, und wusch sich die Hände. Lucas war geschrumpft, er sah hinauf auf das waldige Haar, das einst seine babyzarte Haut gestreichelt hatte. In diesem Traum spürte sie etwas hinter sich. Sie drehte den Hahn zu und trocknete sich die Hände ab. Sie wandte ihm ihr Gesicht zu. Es war voller Missbilligung, als ob sie ihn tadeln würde. Mit leichtem Entsetzen sah er, dass ihr Kleid zerrissen und voller Schlammspritzer war. Die Vorstellung, dass seine Mutter auf ihn wütend war, war ihm unerträglich, er wollte ihr sagen, dass ihm leidtue, was immer er falsch gemacht habe – sicher war sie verärgert, weil er ihr Tagebuch gelesen hatte. Aber als er den Mund öffnete, um zu sprechen, konnte er es nicht. Sosehr er sich auch anstrengte, es kam kein Ton heraus. Als er wach wurde, als Denise ihn an der Schulter rüttelte, krächzte und röchelte er. Sie wandte ihm den Rücken zu und schlief wieder ein, doch als ihr Atem tief und ruhig ging, rutschte er auf der Matratze zu ihr, legte seinen langen Arm um sie und nahm die gleiche Haltung ein.

9
    Carla erfuhr das mit Bluey auf hässliche, beiläufige Weise. An einem kalten Novemberabend des Jahres 1971 saß sie mit Antoney in ihrem seetüchtigen Wohnzimmer, Carla rechts im Sessel ihrer Mutter, der da noch nicht die Beine spreizte, Antoney links in seinem Tal aus dreizehn marokkanischen Kissen, die er günstig in der Golborne Road erworben hatte. Carla nahm in regelmäßigen Abständen eine silberne Schere vom Schrank, sie zog eine Kordel durch die Ärmel an Denises Mantel. Antoney war mit einem anderen Projekt beschäftigt, dem Entwurf eines Codes, um seine Ballette aufzuzeichnen. Gelegentlich langte er zum Plattenspieler und setzte die Nadel an einer bestimmten Stelle auf einer LP der Maytals auf. Er trug zwei Pullover übereinander.
    Carla sagte: »Leg doch Candi Staton auf, ich mag ihre Stimme so sehr.«
    Er war auf die Rückwärtsbeuge mit ausgestreckten Armen im zwölften Takt von »Blues House« konzentriert, für die er ein neues Kürzel erfinden musste. »Lass mich das hier noch grade beenden. Ihre Stimme lenkt mich nur ab«, sagte er.
    »Oh ja, hab ich vergessen.«
    Sie trug ein marineblaues Leinenkleid, das sie gerne zu Hause anzog, unter einer dicken, pflaumenvioletten Jacke, deren Farbe ihr ausgesprochen gut stand. Die Schwangerschaft hatte sie äußerlich kaum verändert. Sie hatte nur sehr wenig zugenommen und die Kilos gleich nach der Geburt wieder verloren. Ihre Knöchel waren auch nicht angeschwollen. Der einzig sichtbare Unterschied war die Erschöpfung unter den Augen, und es war ihr nicht mehr so wichtig, auf Schritt und Tritt coole Klamotten zu tragen. Sie

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