Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
Vom Netzwerk:
Mann transsilvanischer Herkunft bereit?« wieder ein. Und mitten in diesen Gedanken hinein sagte Simone: »Und dann tauchte Antoney auf.«
    Ein Straßenräuber jagte ihren Worten nach.
    »Antoney – Matheus?«
    »Richtig, der künstlerische Leiter. Sie haben ja doch ein wenig recherchiert.«
    Jake brachte das Hauptgericht, und Lucas nutzte die Unterbrechung, um sich innerlich neu auszurichten. Die allgemeine-und-dennoch-präzise-intelligente-aber-nicht-allzu-tiefschürfende Einstiegsfrage Nummer eins, wie Simone Mitglied der Compagnie geworden war, hatte an einen entscheidenden Punkt geführt. Nun aber war er unsicher, ob er sich weiter vorwagen oder lieber auf die Portobello Road zurückweichen sollte, wo Avocados in der Sonne schimmerten und die Spice Girls von Straßenpostern grinsten, damit die Vergangenheit im Schrank und er in der Gegenwart bliebe, beide an dem Platz, wo sie hingehörten. Bis zu diesem Moment hatte er sich seinen Vater noch nicht als lebendiges, dreidimensionales Wesen vorgestellt. In ihm brannten Fragen. Hatte er Trainingsanzüge getragen? Hatte er sein Leben grenzenlos gelebt?
    »Wie war er denn?«
    »Antoney?« Sie hatte einen Olivenkern zwischen den Zähnen. »Antoney war … hm …«, sie holte den Kern aus dem Mund. »Sagen wir, er war dem, was er tun sollte, nicht wirklich gewachsen. Er war ein schwacher Mann, und ein ziemlich schwacher Anführer – aber Oscar war vollkommen eingenommen von ihm.«
    Schweigen. Am Nachbartisch brach Gelächter aus. Lucas sagte leicht trotzig: »Was meinen Sie mit schwach?«
    »Wer die Welt erobern will, muss erst mal seine eigene Truppe erobern«, sagte sie. »Das aber verlangt nach einer Fähigkeit, die Antoney abging.«
    Oh, sie persönlich hatte sich gut mit ihm verstanden. Sie hatte nicht zu denen gehört, die in solchen Situationen, wenn man zu viel Zeit mit den gleichen Menschen verbringt, den Konflikt suchten. Ein professionelles Verhalten war ihrer Meinung nach unabdingbar. Allerdings hatte es auch Momente gegeben …
    Lucas beschlich die Vermutung, dass Simone eifersüchtig gewesen war. Antoney war gekommen und wurde zum Liebling des verehrten Lehrers. Sie ließ sich ausführlich darüber aus, wie oft Oscar ihn während des Unterrichts nach vorne gerufen hatte und vortanzen ließ, »obwohl es deutlich erfahrenere Tänzer gab.« »Er hatte einen eigenen Ausdruck, das will ich gern zugeben. Irgendetwas machte er immer anders, hielt die Arme falsch oder machte eine Bewegung groß, anstatt sie zurückzunehmen. Das Problem war nur, dass Oscar daraufhin die Bewegung der anderen korrigierte und sie an Antoneys Stil anpasste, der natürlich nicht der Stil von jedem Tänzer war.« Sie beugte sich verschwörerisch vor, mit der gleichen mädchenhaften Art, die sie Jake gegenüber an den Tag gelegt hatte. »Ich vermute ja, Oscar war in ihn verknallt.«
    »Wieso, weil er bisexuell war?«
    »Nicht nur das …« Sie warf Lucas mit ihren hochgezerrten Augen einen kurzen, verlegenen Blick zu. »Es ist nur eine Vermutung.«
    Oscar Day hatte die völlig verfrühte Geste gemacht, Antoney – den »schwachen«, »komischen Kauz«, »scheu wie ein junges Füllen«, »immer in schäbigen Schuhen« – bei einem Festival im Sphinx, einem Theater in Earls Court, zu seinem Ko-Choreografen zu machen. So etwas hatte er noch nie getan, nicht einmal für Ekow, der Simones Meinung nach so etwas viel eher verdient hätte (sie persönlich hatte kein Interesse an der Choreografie gehabt – sie war mit Leib und Seele Tänzerin, sie wollte geformt werden, nicht formen). Antoney hatte offenbar in manchen Dingen ein glückliches Händchen, aber Ekow hatte klare Vorstellungen. »Ekow hatte viel Ahnung vom afrikanischen Tanz, von Jazz Dance. Und technisch war er sehr präzise. Er hatte Oscar seit Jahren wegen einer solchen Gelegenheit in den Ohren gelegen.«
    »Wie war das Sphinx-Stück denn?«, fragte Lucas. Er musste sie bei Laune halten. »Sie waren doch sicher auch dabei?«
    »Sicher. Es ist über dreißig Jahre her, ich kann mich kaum noch erinnern. Na ja … viele Wiederholungen, karibische Einflüsse – reichlich amateurhaft. Nein, warten Sie, ich erinner mich an eine Phrase – sie war Gift für meine Waden.« Ihre Schultern untermalten jedes ihrer Worte. »In die Hocke, zum Rhythmus der Musik. Rechter Arm zur Seite, auf den Boden klopfen … genau, und dann Pause.« Ihre psychedelischen Finger spielten auf dem Tisch, die Armreifen klingelten dazu. »Dann mit der Hand über

Weitere Kostenlose Bücher