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Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
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Tanzes zu, seine Nasenflügel blähten sich auf. Die rechte Hand rieb über das berühmte rechte Knie.
    »Das ist es. Besser.« Antoney sah erleichtert aus. »Wir nehmen Tempo raus. Oscar, was meinst du?«
    »Ich finde es gut.«
    Das Stück wurde nur von Frauen getanzt, und im Mittelteil gab es ein Solo für Milly. Antoney holte Carla und Rosina dazu, Simone war bereits in Position. Als der Brukins wieder ansetzte und die Tänzerinnen Milly folgten, stand Benjamin auf und schabte dabei absichtlich mit seinem Stuhl über den Boden. Es war nicht das erste Mal, dass er alles zum Erliegen brachte. Ganz offensichtlich hatte er etwas Ernsthaftes und Verdrießliches auf dem Herzen. Er wandte sich an Antoney.
    »Du solltest den Apepe in seiner ursprünglichen Weise zeigen, so wie Milly ihn dir beigebracht hat.«
    Die Trommel verklang, Antoney fragte Benjamin, was das denn heißen solle. »Können wir bitte weitermachen?«, fragte Simone, die Hände in die Seiten gestemmt. »Wir versuchen zu arbeiten.«
    Benjamin ließ sich nicht beirren. »Oh ja«, sagte er in seiner starken Yoruba-Färbung. »Ich beobachte euch bei der Arbeit, und nicht immer mag ich, was ich sehe. Das ist ein traditioneller Tanz. Man kann nicht einfach hier und da was nehmen und alles zusammenwerfen, als würde man eine Suppe kochen. Was weiß der Apepe schon vom Brukins?«
    »Meint der das ernst?«, raunte Oscar Ekow zu.
    »Ist mir scheißegal«, sagte Antoney, ohne nachzudenken. Irgendetwas fehlte immer noch in der Musik. Es mangelte ihnen an Schlaginstrumenten, aber nun war es zu spät. »Fansa, mach einfach weiter.«
    Benjamins Nasenflügel blähten sich zu ihrer vollen Kapazität auf. »Hör mir zu«, sagte er, »denn du dummer kleiner Junge verstehst das nicht.« Carla beobachtete, wie sich Antoney unter Benjamins herablassenden Worten immer weiter verkrampfte. Benjamin machte sich einen Spaß daraus, die anderen an die beschränkten Kenntnisse ihres künstlerischen Leiters – ganz im Gegensatz zu seinen – zu erinnern. »Manche dieser Tänze, mit denen du hier rumspielst, sie sind vor Hunderten von Jahren entstanden. Vor Hunderten und Aberhunderten von Jahren. Lange vor der Sklaverei, lange, bevor es dieses Land gab. Sie sind Kulturgut der afrikanischen Zivilisation. Sie sollten geschützt und bewahrt werden.« Er sah sich um, auf der Suche nach Verbündeten. »Oder etwa nicht?«
    Rosina gähnte. Fansa streckte sich. Milly zuckte mit den Schultern und murmelte, dass sie die Musik okay fand, während Carla sehnsüchtig aus dem Fenster, hinaus zum Klang der Steel Pans schaute. (Wer war eigentlich auf die Idee gekommen, an einem Sonntag zu proben?) Als sie sich vom Fenster abwandte, stand Antoney neben ihr. Er berührte ihr Handgelenk, als wollte er sie zurück an die Arbeit führen, obwohl sie den Eindruck hatte, dass dies bloß ein Vorwand war. So etwas machte er nämlich öfter seit einiger Zeit, er fasste sie geistesabwesend an den Schultern, während er einem Mitglied der Truppe etwas erläuterte, oder nahm ihre Hand, um sie an eine neue Position zu leiten. In einer bierseligen Nacht im Fiesta One (einem nächtlichen Einkehrort des Midnight Ballet) hatte er ihr sein Leid geklagt; er fühlte sich überfordert, glaubte, dass er für seine Rolle nicht geschaffen sei, er, der Stille mit seiner flüsternden Seele. Sie versuchte, es zu ignorieren, aber jedes Mal, wenn er sie berührte, kehrten die alten Empfindungen zurück, eine warme Angst, gepaart mit einem kindlichen Glücksgefühl.
    The Wonder ergriff nun das Wort. Er war der Unterhaltung gefolgt, hatte sich dabei den Fuß massiert und auf einem Stück Ingwer herumgekaut (dessen Geruch ihn penetrant umgab, doch angeblich war es gut für die Nieren). Unter seinem Hocker, mit dem Gesicht nach unten, lag ein Buch zum Thema Zen-Buddhismus. »Vielleicht ist ja etwas dran an dem, was Benjamin sagt«, warf er nachdenklich ein. »Was wollen wir mit dieser Show erreichen? Was wollen wir denn sagen?«
    »Ich will gar nichts erreichen oder sagen!« Antoney, aufgebracht, löste sich von Carla. »Was wird das hier, Tanzen oder Politik?«
    »Richtig«, rief Oscar. »Na kommt, Jungs, wir haben keine Zeit für hitzige Wortgefechte.«
    »Aber du entwertest die Tradition!«, schrie Benjamin.
    »Tradition? Große Güte, was ist das schon?«
    »Du, der Älteste von allen, stellst so eine dumme, lächerliche Frage?«
    Das wiederum reizte Ekow, er ging auf Benjamin zu. Dass Oscar in seinem eigenen Reich niedergemacht

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