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Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
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anständig war, ein verlässliches Mädchen, das am Ende seiner Unternehmungen auf ihn warten würde. Ihm wurde langsam bewusst, wie wichtig eine Gefährtin war, damit ein Mann mit beiden Füßen auf dem Boden blieb.
    Carla ihrerseits, so plötzlich ohne Simone, fand es schwer, sich ihre Reaktion auf Antoneys flüchtige Berührungen nicht anmerken zu lassen, auf die Hitze, die sich nun leuchtend in seinem Gesicht festsetzte, während sie versuchten, einander nicht in die Augen zu sehen. Als sich die Prozession über die Chepstow-Kreuzung schob, wurden Antoney und Carla in der dichten Menge auf dem Bürgersteig aneinandergedrängt. Das Einfachste wäre gewesen, sich einzuhaken und die Biegung vereint zu meistern, doch Carla wollte den Abstand zwischen ihnen wiederherstellen und stolperte rückwärts über den Bordstein. »Vorsicht!« Er fing sie auf. »Sonst wirst du noch mitgerissen.« Seine Sperlingsaugen schenkten ihr einen so hingebungsvollen Blick, dass ihr Gesicht zu einem einzigen Lächeln wurde. Er sah so gut aus, so attraktiv, er war der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte. Einen Moment lang glaubte sie, er würde sie bitten, zu ihm zurückzukommen. Er hielt sie immer noch, und dies unnötig eng, umklammert – als hinge er an ihr fest. Und doch waren sie beide erleichtert, als Oscar zurückkam, sich zwischen sie drängte und erzählte, dass sie mit Glück eine Zeitungsanzeige für die Show bekommen würden. Daraufhin entspann sich ein Gespräch über Lampenfieber – Carla hatte Angst, ihre Schrittfolge zu vergessen.
    »Du musst über das Publikum hinweg auf das Schwarz ganz hinten schauen und dich auf das konzentrieren, was du tust«, sagte Oscar. »So habe ich es immer gemacht, wenn ich nervös war. Stell dir vor, du wärst in einem leeren Raum. Das hilft, ehrlich.« Er holte sich ein Tuch aus der Tasche seines knitterigen Leinenhemds und wischte sich das Gesicht ab. Oscars Gegenwart hatte Carla früher immer eingeschüchtert, inzwischen aber genoss sie seine Gesellschaft. »Wenn du einen Schritt vergisst, sieh nur zu, dass du es gut überspielst. Du darfst nie verschreckt aussehen, egal, was passiert. Richtig, Antoney? Also, warum zeigt ihr jungen Dinger nicht mal, was ihr könnt?«
    Der Wind trug einen alten Calypso-Song von Lord Kitchener über das wogende Klirren und Klimpern der Steel Band hinweg. Carla tanzte wieder, mit ihrem schlanken Körper bewegte sie sich mühelos zur Musik. Antoney wünschte, Oscar wäre nicht zurückgekommen, er brachte ihn in Verlegenheit, mit seinem aufmunternden, verschwörerischen Lächeln. Am allerliebsten wäre er mit Carla Bus gefahren, hätte er allein mit ihr auf dem Oberdeck des 52A gesessen. Er hätte ihr eben, als er sie in den Armen gehalten und sie ihn mit ihrem herrlichen Lächeln und den schiefen Zähnen angestrahlt hatte, sagen sollen, was er auf dem Herzen hatte. Womöglich würde sie ihn nie wieder so anlächeln. Niedergeschlagen und bekümmert tanzte er neben ihr her, vorbei an den Chepstow-Balkonen und den heruntergekommenen Häusern, steif wie ein Brett. Seine alte Schüchternheit grinste ihm höhnisch entgegen, verdarb ihm die Freude und lähmte ihn, als Carla mutig seine Hand fasste. Schließlich sagte sie beiden ein gezwungenes Auf Wiedersehen und ging nach Hause.
    »Du große Güte, Mann, warum rückst du nicht einfach mit der Sprache raus? Ihr beide macht mich wahnsinnig!« Oscar und Antoney bewegten sich wieder in Richtung Kirche.
    »Das verstehst du nicht«, sagte Antoney. »Ich mag sie, Mann. Ich mein, ich mag sie.«
    »Was du nicht sagst.«
    Bier und Rum verlangsamten ihre Schritte. Alkohol lähmte die Sprache. »Warum empfinde ich auf einmal so? Ich genier mich in ihrer Nähe, ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Ich mach mich ja langsam zum Narren. Wir haben das doch alles hinter uns.«
    »Red mit ihr. Sag ihr, was du fühlst.«
    »Aber was, wenn sie anders empfindet? Ich müsste so tun, als wär nichts. Ich muss ja noch mit ihr tanzen.« (Am Ende von »Blues House« hatten er und Carla ein Duo.)
    »Antoney, hör zu«, sagte Oscar. »Sie ist ohne Frage verrückt nach dir. Aber wenn sich der eine nicht traut, traut sich der andere gewöhnlich auch nicht. Mach dir eine schöne Zeit mit ihr. Leb doch mal ein bisschen. Das ist alles Stoff fürs Tanzen, und je mehr du davon bekommst, umso besser.«
    Sie hatten die Talbot Road durchquert und waren auf den Platz gekommen. Antoney bemerkte nicht, dass sich Oscar erst einige

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