Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
Vom Netzwerk:
wurde, das würde er nicht dulden. »Ach, jetzt setz dich, Ben«, sagte Fansa. »Sei nicht so altväterlich.« Er legte wieder laut mit dem Brukins los und trommelte den Ärger nieder. »Na kommt! Mir nach!«, und eine nach der anderen gehorchten die Tänzerinnen. Benjamin aber war immer noch zornig, Antoney beleidigt. Er träumte doch nur vom Fliegen, mehr nicht. Laufen, springen, schweben, drehen. Welche Rolle spielte es da, ob es ein Kumina-Schritt oder ein Sprung aus dem Senegal war? Warum spielte es überhaupt eine Rolle, in welcher Sprache er sich ausdrückte? Er hatte große Mühe, sich zu konzentrieren, und darum bemerkte er auch als Erster den schmalgesichtigen, dunkelhaarigen, weißen Jungen, der vom Eingang her in den Saal lugte.
    Carla bemerkte ihn ebenfalls. Er wirkte so verängstigt und entschlossen wie ein neuer Soldat. Es war nicht ungewöhnlich, dass neugierige Fremde hereinschauten. Irgendjemand steckte immer den Kopf durch die Fenster, Kinder kicherten am Eingang – vermutlich war er ein Irrläufer vom Festival (an seinem Hals hing eine verräterische Pfeife). Aber anders als der durchschnittliche Voyeur wollte dieser Junge etwas. Er stand an seinem Platz wie festgenagelt, spähte hungrig in den Saal, fixierte keine bestimmte Person und kein bestimmtes Objekt, sondern riskierte mehrere rasche Blicke auf die Trommeln, die Tänzer und die Musiker. Kindliche, sonnengebräunte Arme staken aus einem übergroßen T-Shirt hervor. Er versuchte ein Lächeln zur Begrüßung. Wieder schwiegen die Trommeln.
    »Kann ich dir helfen?«, sagte Antoney.
    »Ich möchte mitmachen«, sagte der Junge.
    »Mitmachen?«
    Simone und Fansa lachten. Antoney und Oscar sahen sich verwirrt an. Der Junge nickte schlicht.
    »Nun, wobei denn?«, fragte Antoney.
    »Egal.«
    Selbst Benjamin war angestachelt.
    »Kannst du tanzen?«
    »Nee.«
    »Kannst du singen?«, fragte Fansa zum Scherz.
    »Weiß nich«, der Junge zuckte mit den Achseln. »Glaub ich nich.«
    Die Trommler brüllten vor Lachen. Carla befahl ihnen zu schweigen. »Süßer, wie heißt du?« Er konnte nicht älter als sechzehn oder siebzehn sein. Er hatte die blausten Augen, die sie je gesehen hatte.
    »Bluey«, sagte er.
    Sie lachte. »Ehrlich?«
    »Was ist daran so komisch?«
    »Tut mir leid. Das passt einfach zu dir. Ist dein Spitzname, oder?«
    »Ja«, sagte er zu Carla. Er sog sie mit den Augen ein, er sprach nur zu ihr. »Kannst du irgendetwas spielen, Bluey?«, fragte sie sanft.
    »Ich kann Klavier spielen. Mein Dad ist Organist, in der Kirche. Er hat’s mir beigebracht.«
    Nun hielten sich Benjamin und Fansa die Bäuche und schlugen sich auf die Schenkel. »Aber wir haben kein Klavier!«, grölte Benjamin.
    »Dann versuch ich’s am Schlagzeug.«
    »Mumm hat er ja«, raunte Oscar Ekow zu.
    Nach einigem Zögern und auf Geheiß von Carla rutschte Fansa von seinem Platz, um diesem Jüngelchen einen Versuch an seiner Djembe zu gewähren. Bluey näherte sich dem Instrument sehr entschieden, mit immer schnelleren Schritten und lockerer Jeans, aber er hatte offensichtlich nie zuvor eine Trommel zwischen den Beinen gehalten, denn er stieg mit dem linken Bein darüber und verlor fast das Gleichgewicht, anstatt sich zuerst zu setzen und das Instrument zu sich zu ziehen. Benjamin spielte einen komplizierten Rhythmus, dem nur ein erfahrener Trommler folgen konnte. Der junge Gast bekam rote Wangen und geriet immer wieder aus dem Takt, schließlich gab er auf und blieb steif auf dem Hocker sitzen. Er war so am Boden zerstört, dass Carla nicht anders konnte, als zu ihm zu gehen und ihm durch die dunklen, zerzausten Locken zu wuscheln, was ihm noch peinlicher war.
    »Irgendwas muss es doch geben«, sagte sie.
    »Ach so, jetzt kann jeder, der da draußen rumhängt, mit an Bord?«, fragte Benjamin.
    »Nee, hast ja recht.« Bluey stand genauso auf, wie er sich hingesetzt hatte. »Ich hau schon ab.«
    »Warte mal. Kannst du die Time halten?«
    Das kam von Antoney. Er wühlte in Fansas Seesack herum und holte einen Satz hölzerner Klangstäbe hervor, schlug sie zusammen, aber er wollte einen höheren Ton. Benjamin maulte, der Junge habe doch gerade bewiesen , dass er den Rhythmus nicht halten konnte, und wurde nochmals und endgültig von Carla und Rosina zugleich zum Schweigen gebracht. Als Antoney fand, wonach er suchte – Cowbell und Stab –, richtete er sich auf, reichte beides an Bluey und sagte ihm, er solle einen simplen Zweivierteltakt schlagen. Die Glocke war aus Messing

Weitere Kostenlose Bücher