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Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
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keusch wie Kinder. Antoney rieb ihr Bein, strich ihr über die Taille, sie drückte die Hände in seinen Rücken. Simone meinte, er wäre vielleicht ein verkappter Schwuler, aber Carla wusste es besser. Er war respektvoll.
    »Du hattest doch bestimmt schon massenweise Mädchen«, sagte sie, als sie die Waterloo Bridge mit ihren ausholenden Bögen überquerten. »Du bist bestimmt ein richtiger Hengst.«
    (Es hatte zu Hause nur Cordelia, Maxine und Susan gegeben, die ihn mit vierzehn in die Liebe eingeführt hatte, und Nancy in der St. Mark’s Road, die ihm manchmal Schweinebauch machte.)
    »Keine war so schön wie du«, sagte er. »Und ich will mich sauber halten.« (Das stimmte sogar. Er ging längst nicht mit jeder aus.)
    »Das ist gut.«
    »Was ist mit dir?«
    »Niemand Besonderes.« Sie schenkte ihm ein goldenes, geheimes Lächeln. »Ich heb mich für den Richtigen auf.«
    Es beeindruckte Carla zwar, dass er so galant war, aber sie hätte auch nichts dagegen gehabt, wenn er etwas weitergegangen wäre, nur damit sie wusste, dass er mehr wollte. Sie hatte Angst, dass es sich abkühlte, bevor es richtig heiß wurde. Es beschäftigte sie sehr. Dann, eines Abends im November ’64, gingen sie auf einen Jahrmarkt in Shepherd’s Bush, wo ihnen zweierlei widerfuhr: erstens eine Wahrsagerin und zweitens eine Vision.
    Sie nahmen den 94er. Das Riesenrad wartete. Bunte Lampions erleuchteten Zigeunerzelte. Carla und Antoney boten einen hinreißenden Anblick, als sie dort entlangflanierten, Antoney in einem langen Ledermantel, den er in einem Secondhandshop aufgetrieben hatte (er hatte die Laurel-und-Hardy-Phase noch nicht ganz hinter sich, doch insgesamt sah es schon besser aus), sie mit üppiger Krone, in einem breit gegürtelten Trench. Antoney sagte, es sei sehr lange her, dass ihm jemand die Zukunft vorhergesagt habe, und so betraten sie ein blau schimmerndes Zelt und setzten sich Seite an Seite vor eine mollige Roma-Frau mit Doppelkinn und Kopftuch.
    »Gemeinsam?«, fragte sie.
    »Klar, warum nicht?«, sagte Carla.
    Sie benutzte Karten, drehte sie um und legte sie auf den dunklen Tisch. Als Erstes sagte sie Antoney, dass er einen heimlichen Bewunderer habe und auf seine Beine und seinen Teil des Dachs achten solle, worüber er grinste. Dann sagte sie, dass sie eine Botschaft von einem fernen Elternteil für ihn habe.
    »Was meinen Sie mit Elternteil?«
    »Mutter oder Vater, an einem fernen Ort.«
    »Seine Mutter wohnt gleich auf der Bassett Road«, sagte Carla.
    »Es ist eine sehr wichtige Botschaft«, ergänzte die Wahrsagerin leicht gelangweilt, ohne eine Miene zu verziehen.
    Antoney fragte mit einer unsicheren Stimme, die Carla so noch nicht gehört hatte: »Ist mein Vater tot?«
    »Das ist nicht mein Gebiet«, sagte die Frau und schwieg eine Weile. »Aber ich glaub nicht, dass er oder sie tot ist. Wollen Sie die Botschaft nun hören oder nicht?«
    »Okay, was gibt es?« Antoney bemühte sich um seine übliche Distanziertheit und lehnte sich verächtlich zurück.
    »Also«, sagte sie. »Sie ist kurz. Ich will es erklären. Sie sind, das sehe ich, liebevoll im Unbewussten, und da ist Dunkelheit in Ihnen. Die Botschaft lautet, wenn alle in eine Richtung gehen, wollen Sie immer in die andere, und daran dürfen Sie nichts ändern.«
    »Das ist es?«
    »Fast, ja. Außerdem heißt es, wenn Sie nicht Ihren Füßen folgen, wird die Dunkelheit Sie essen wie ein großer Fisch – ein Hai, glaub ich, hat er gesagt. Sie sollen Ihrem Stück Meer folgen.«
    Bei diesen Worten stand Antoney auf und verließ das Zelt.
    Carla blieb fassungslos allein zurück, noch ohne vorhergesagte Zukunft, die sich als beinahe ebenso seltsam erweisen sollte wie das, was sie gerade gehört hatte. Die Frau schaute ihr tief in die Augen. Sie hantierte mit den Karten herum, dann sah sie ihr wieder in die Augen, diesmal mit einem gewissen Entsetzen. Sie sagte nicht viel, nur dass sie, Carla, ein sehr hübsches Mädchen sei. »Wenn Sie nachts schlafen, meine Liebe, versuchen Sie, auf der Seite statt auf dem Rücken zu liegen.«
    »Das ist alles?«
    »Ich fürchte ja.«
    »Kann ich bitte mein Geld wiederhaben?«
    »Verdammt, nein, was erlauben Sie sich?«
    »Was zur Hölle war das?«, sagte Antoney, als Carla aus dem Zelt trat.
    »Wem sagst du das. Alles in Ordnung?«
    Er wirkte, als wollte er auf etwas einschlagen. Er sagte nicht, was los war, nur dass es ihm vor dieser Frau gegruselt habe. Carla umarmte ihn, so verletzlich schien er ihr mit einem Mal,

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