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Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
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und zunächst war es, als würde sie die Arme um die Nelsonsäule schließen. Er hatte seinen Vater nur ein einziges Mal erwähnt, dass er verschwunden sei, als Antoney selbst noch jung war, aber er hatte dabei keine große Gefühlsregung gezeigt. Carla führte Antoney von dem Zelt weg. Sie traten auf bereiftes Gras.
    Dann passierte das Zweite. Feuerwerk, die Blicke nach oben, die Hände ineinander, das Krachen übertönte die Karussellmusik. Carla sah Grün, Rosa und Silber in den Himmel schießen. Antoney aber sah etwas anderes, und das beschrieb er ihr später so. Als er nach oben sah, in die schwarze Welt der Nacht, in die Lavendelwolken, die hier und da am Himmel hingen, auf den noch nicht vollen Mond, und dachte, dass das Feuerwerk ein Muster wie Tanzschritte ergab und er vielleicht einen Tanz wie ein Feuerwerk erschaffen sollte, sah er einen Bus. »Einen Bus, du hast einen Bus gesehen, am Himmel?« »Ja, habe ich«, bestätigte er. Der Bus reiste quer über den Mond, in aller Gemächlichkeit. »Was, wie der 23er? Ein Doppeldecker?«, fragte Carla. Nein, ein ganz normaler Bus. Antoney hatte die Farbe nicht erkannt, weil der Bus nur Silhouette war. Aber er sah, er wusste einfach, dass im Innern Tänzer waren, und sie waren auf dem Weg zu etwas Fabelhaftem. »Das sollte man meinen, bei der Strecke.« Er hatte beobachtet, wie der Bus in einem leichten Bogen von der linken zur rechten Seite des Mondes fuhr. Die Fenster standen offen, die Passagiere schauten nach vorne, auf und nieder ging es, und dann war er fort. »Da hast du es, ein wacher Flugtraum.«
    »Du bist echt komisch«, sagte Carla.
    Man sollte noch erwähnen, dass Antoney ihr all das erzählte, als sie unbekleidet und ineinander verschlungen in Carlas Zimmer lagen. Sie hatte Antoney geschickt hineingeschmuggelt, als ihre Mutter schlief. Das war das Dritte, das geschah. In einem magischen Moment, vom Kitzel der Heimlichkeit befeuert, waren sie leise auf ihr Erdbeer-Daunenbett gefallen und bis zum Äußersten gegangen. Sie durften keinen Mucks von sich geben, damit Toreth nicht wach würde, und aufgrund der Umstände waren sie recht schüchtern miteinander. Es war langsam und zögernd. Er zog sein Oberteil aus, sie bewunderte seinen dreiecksförmigen Oberkörper, der so stark aus der Taille herauskam. Er verweilte lange dabei, die Innenseite ihrer Knöchel zu küssen, was irgendwann kitzelte und Carla zum Kichern brachte. »Ich will dir nicht wehtun«, sagte er. »Das wirst du nicht«, flüsterte sie, und der Schmerz war wirklich klein, gemessen an der großen feuchten Wärme, an dem Gefühl, dass sie umfangen und getragen wurde. Nach dem Bus-Gespräch schliefen sie zu lange und wurden erst um sechs Uhr wach, als Carlas Mum schon im Badezimmer nebenan ihrer Morgentoilette nachging. Es lag nicht nur am Westway, dass Toreth und Antoney nie miteinander warm wurden. Es lag auch daran, dass das Knöchel-Gekicher Toreths Schlaf gestört hatte, und sie dann auch noch vom Badezimmerfenster aus sah, wie er über den Weg zum Haus entfloh und sich dabei mühte, in seinen Schuh zu schlüpfen.
    Drei Monate später trennten sie sich. Durch die Bus-Vision nahm Antoney das Tanzen noch ernster. Es sei ein Zeichen, ein Omen gewesen, und würde er es ignorieren, würde es ihm Unglück bringen. Er verbrachte häufiger den Abend bei Oscar und diskutierte Gott weiß was mit ihm. Carla war es manchmal ziemlich leid, dass sich ihre Gespräche nur darum drehten, ob er wirklich das Zeug zum Choreografen hätte und wie es einem gelang, »den Tanz sein zu lassen, was der Tanz sein will«. Wenn Carla einwarf, dass sie gerne über die King’s Road bummeln oder Otis Redding sehen würde, fand er einen ärgerlichen Weg, das Thema wieder auf den Tanz zu lenken. Sie wollte doch bloß mit den Händen an der Rückseite seiner Schenkel entlangfahren und so nahe bei ihm liegen, dass sich ihre Nasen berührten, in seiner Armbeuge einschlafen, bei ihrem ersten richtigen Mann. Aber es war schwer, einen Ort zu finden, an dem sie bei ihm liegen konnte, denn Toreth erlaubte ihm nicht, nach oben zu kommen, und er wollte Carla nicht mit in sein Zimmer nehmen. Sie kamen aus dem Rhythmus. In seiner Berührung war Distanz, und so fühlte sie sich irgendwann wie eine der Schaufensterpuppen in Knightsbridge, edel, aber kühl wie Porzellan. Er ignorierte sie während des Unterrichts, und wenn sie mit Ekow, Simone und den übrigen Tänzern im Vorraum waren, behandelte er sie wie alle anderen. Auch fand sie

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