Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
Vom Netzwerk:
wurde um zwei Abende verlängert. Blumen fielen Simone zu Füßen, begleiteten Shangos donnernden Abgang. Antoney rauschte in seinem Wildledercape durch Montmartre, den Applaus im Kopf. Er mochte Paris, so sagte er Carla, weil man hier »gegen den Strom schwimmen« könne, was immer das heißen sollte. Sie wohnten in einem billigen Hotel, nur wenige Straßen vom Theater entfernt. Simone teilte sich das Zimmer mit Milly, Carla das mit Antoney, obwohl sie, wenn er endlich von seinen Streifzügen mit den anderen Jungs durch die Bars, die Jazzclubs, die Cafés am Rive Gauche heimkam, schon tief und fest schlief, nachdem sie mit Bluey Kakao aus Tütchen getrunken hatte, um nach der Show runterzukommen. Aus Simone und Ekow war ein Paar geworden. Sie konnten nicht voneinander lassen, es war, als ob der Pariser Wind sie einander endlich in die Arme geweht hätte. »Sie hat sich sehr verändert«, sagte Carla zu Bluey – er hatte wissen wollen, warum sie und Simone sich nicht mehr so nahe waren. »Sie ist so von sich eingenommen, dass mir schlecht wird. Als Niemand war sie mir lieber.«
    Antoney fragte Carla eines Tages, als er nachmittags verkatert und mit blutunterlaufenen Augen wach wurde, was zwischen Ekow und Simone lief. Carla machte sich gerade fertig, um in den Louvre zu gehen. Sie hatten den Ausflug gemeinsam geplant, er aber drückte sich. »Ist das nicht offensichtlich?«, sagte sie. »Sie vögeln. Wieso, was geht dich das an?«
    »Sie passen nicht zusammen«, sagte er und verschwand in ihrem winzigen Badezimmer.
    Carla hatte eines an Antoney akzeptieren müssen. Er verschwand nicht nur faktisch – so sagte er etwa, dass er Zigaretten holen wolle, und kam dann fünf Stunden später ohne Erklärung zurück –, sondern auch, wenn er vor ihr stand. Er konnte sein Gegenüber direkt ansehen, mit ihm sprechen, aber seine Stimme, sein Verhalten wirkten monoton und sogar ein wenig feindselig, als ob man ihm den Blick auf etwas Wunderbares und Dringenderes versperrte. Das kam immer häufiger vor. Anfangs hatte Carla seine Selbstversunkenheit verführerisch gefunden, nun nur noch ärgerlich. Der Erfolg hatte ihn sprunghaft und obsessiv gemacht. Er trank viel mehr als früher. Seine Gefühlsausbrüche während der Proben, seine Hypothesen über schrumpfende Bühnen und Beleuchterverschwörungen wurden immer extremer, und nun, wo Riley nicht bei ihnen war, merkte Carla, wie sehr sich ihr Einfluss auf Antoney verringert hatte, seit er mit Riley befreundet war.
    Vor der Mona Lisa musste sie an ihn denken. Sie betrachtete das seltsam Losgelöste von Kopf und Schulterpartie. Das unverfängliche Lächeln, die ausweichenden, bräunlichen Augen. Das waren, so ging ihr auf, Antoneys Augen, sie schauten gleichzeitig nach innen und außen, auf nichts und alles, auf zu wenig und zu viel.
    Die Garderobiere des Theaters, eine laute Brünette mit bemerkenswert hoher Taille, war in Carla verknallt. Sie berührte Carlas Haar, als wäre es Mondschimmer. Nach der letzten Aufführung schenkte sie Carla ein glänzendes, olivfarbenes Vintage-Ballkleid, das Carla bei ihrer Ankunft mit einem hingerissenen Luftschnappen kommentiert hatte. » Prends-le , nun nimm es schon«, sagte die Garderobiere. »Ich will, dass du es trägst. Auch wenn ich Ärger bekomme.« Carla bestand darauf, es nur einmal auszuführen. Begleitet von den Seufzern und verhangenen Blicken der Garderobiere schwebte sie – ja, sie schwebte, es war ein Sieg über die Schwerkraft – in Antoneys Garderobe, wo er sich, so nahm sie an, umzog. In diesem Kleid war sie zu allem fähig. Sie war Kleopatra, Königin von Ägypten, bald Mutter, stolz auf ihre Leibesfrucht. Sie würde sich dem Vater mit tausenden Trompetenstößen darbieten. Er würde sie in seinen starken Armen in den Himmel heben. Sie klopfte entschieden an die Tür, der prächtige Stoff rauschte, Schleifen tropften von ihren Ärmeln. »Herein«, hörte sie ihn sagen, und so stieß sie die Tür auf – und da saß er vor dem Spiegel und drehte sich einen Joint. Und wer hockte neben ihm auf der Kommode, im Minikleid, die unbefederten Beine in nagelneuen Lochsandalen, die puderigen Schlüsselbeine im Lampenschein? Simone, die sie gespannt musterte.
    »Wow«, sagte sie. »Was für ein Anblick.«
    Antoney drehte sich um. Er war immer noch geschminkt. »Steht dir gut«, sagte er. »Wir sprechen grade über dich.«
    »Ach ja?« Carla fühlte sich deplatziert und aus der Zeit gefallen.
    »Ich dachte, vielleicht machst du ja zu

Weitere Kostenlose Bücher