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Als würde ich fliegen

Als würde ich fliegen

Titel: Als würde ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Evans
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Ende Milly fortging, war alles schrecklich, das Theater schäbig, die Unterkunft schmutzig, die Laken muffig. (Wen, glauben die, haben die zu Gast?) Sogar die Show war schwach, was Antoney auf die Tatsache schob, dass er während des Trankopfers nicht anwesend war. Er ging damit auf seine Weise um, indem er nach dem Vorhang eine heisere Schimpftirade losließ – seine Stimme war wie üblich erst während der Pause zurückgekehrt. Er ließ es besonders an Bluey aus, der zwei Mal aus dem Takt gekommen war, und an Milly, die Schritte vergessen hatte. Er beschimpfte sie, weil sie die Situation nicht professionell überspielt habe, weil sie unkonzentriert und gleichgültig sei. Milly verlor die Fassung und nannte ihn einen Heuchler, Tyrannen und hysterischen Diktator, riss sich den Chiffonschal vom Hals und warf ihn weg. Am nächsten Tag ging sie fort. Sie war immer noch seine Lieblingstänzerin. Er spähte ihr vom Hotelfenster aus hinterher, als sie mit ihrem Rucksack die Straße überquerte, ihre großen Plastikohrringe schwangen gegen den Hals, diesen so biegsamen Hals, auf diesen so fantastisch schüttelbaren Schultern. Sie hatte seinen entschuldigungsfreien Vorschlag, es sich noch einmal anders zu überlegen, zurückgewiesen. Ekow sagte, so viel Blödheit sei unerreicht, aber Antoney weigerte sich, die alleinige Schuld zu übernehmen. Er fand in jener Nacht Trost bei einem rumseligen Zug mit den Jungs durch Amsterdams Rotlichtviertel. Im kirschroten Schein der Fenster mit den freizügigen Mädchen entlang der Singel-Gracht fand Fansa eine, bei der er sein Geld ließ, in Zebrakorsett und mit schwarzer Perücke. Nicht so Antoney. Er blieb lieber sauber, selbst wenn es schien, als wäre seiner Frau das im Moment egal.
    Als er am Wasser vorbei durch das Dunkel schwankte, dachte er, wie anders es neuerdings mit Carla war. Mit ihr konnte man keinen Spaß mehr haben. Es zog ihn runter, wenn sie wie eine Oma mit Oscars altersschwacher Decke auf dem Schoß im Bus saß – und das mitten im Sommer! Unterwegs zu sein elektrisierte, entflammte sie nicht. Sie wollte eine kleine Welt. Und in letzter Zeit ergriff sie für jeden außer ihn Partei, sei es Bluey, Milly oder Ekow. Warum lag es immer an ihm, wenn etwas schiefging? Warum sollte er alle Fäden zusammenhalten, wo er doch außerdem neue Stücke schaffen musste? Das war alles etwas viel, um es einem Mann alleine aufzubürden. Manchmal spielte er mit dem Gedanken, auf Solopfaden zu wandeln. Möglich wäre das nun. Er war bekannt. Er könnte zu so manchem Theater gehen und dort unterkommen. Er war schließlich Antoney Matheus, der gefeierte Tänzer-Choreograf-künstlerische-Leiter. Er stammte aus einem Mandarinenhaus im Busch, und nun war er mit seiner eigenen Truppe auf Tournee. Er könnte Tänzer anheuern, ganz nach Bedarf. Und das Schöne daran wäre, er allein hielte das Ruder fest. Dann müsste er sich nicht mehr mit Ekow herumschlagen, der ständig meuterte und sich in Bereiche hineindrängte, in denen er nichts zu suchen hatte. Wusste er denn nicht, dass zu viele Köche den Gumbobrei verdarben? Ekow war doch mal so ein lässiger, verträglicher Kumpel gewesen. Antoney wusste noch, wie Ekow in seinem glänzenden gelben Hemd zu den Marshalls geschlendert war, wie er ihn bei Oscar aufgenommen hatte, wie inspirierend er seinen Optimismus und seine Leichtigkeit gefunden hatte. Heute konnte er sich mit Ekow kaum unterhalten, ohne den Drang zu verspüren, ihn niederzuschlagen. In seiner Gegenwart fühlte er sich mies, unterlegen, und zwar nicht nur Ekow gegenüber, sondern grundsätzlich. Manchen Menschen gelang das – Benjamin, seiner Mutter, Simone früher, aber heute nicht mehr. Wenn einem jemand dieses Gefühl vermittelte, dann war ihm nicht zu trauen, durfte man ihn nicht wirklich an sich heranlassen. Antoney nahm sich vor, das in einem Brief an Riley niederzuschreiben, dass es besser sei, allein zu sein, als in einem Bus voller Menschen, die einen runterzogen; lieber blickte er in einen Abgrund aus Nichts und Verzweiflung und bezog seine Stärke daraus, seinen Mut auf die Probe zu stellen. Das war der richtige Weg. Der Sinn lag darin zu akzeptieren, dass es keinen Sinn gab, und darauf aufzubauen.
    Er wusste, was mit Carla nicht stimmte. Sie wollte heiraten. Sie wollte einen Antrag. Auch auf diesem Gebiet waren sie ungleich. Sosehr sie sich auch bemühte, mit seinen unkonventionellen Ideen Schritt zu halten, sosehr sie auch angeblich mit den Hippies sympathisierte, im

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