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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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die Ohren eines Jungen geeignet, den man toll findet. Aber was soll’s: Er gehört ja zu Fig. Sie will ihn nicht verführen. »In der vierten Klasse ist es mir einmal gelungen, gleichzeitig zu niesen und zu furzen, mitten im Sachkundeunterricht.«
    Henry lacht.
    »Ich sagte aber, ich sei es nicht gewesen. Ich saß in einer |92| der hinteren Reihen, und alle, die in der Nähe waren, hatten es gehört und fragten: ›Wer war das?‹, und ich sagte: ›Ich
kann
es nicht gewesen sein, denn ich musste ja gerade niesen.‹«
    »Das war wirklich schlau.«
    »Die dachten wahrscheinlich, dass es Sheila Waliwal war, unser Sündenbock für alles, was in dieser Klasse Ekliges oder Merkwürdiges vor sich ging. In der fünften Klasse bekam sie als erste ihre Tage, und dann war die Hölle los. Sheila hielt sich in einer Kabine versteckt, und die anderen Mädchen flippten aus, rannten in den Waschraum rein und raus. Und Fig war die Anführerin – beinah, als hätte sie Sheilas erste Blutung für die Bühne inszeniert und produziert.«
    »Klingt eigentlich ganz putzig.«
    »Die Mädchen haben schließlich alle mitgemacht. Wahrscheinlich war jede von uns froh, eben nicht die erste zu sein. Obwohl ich mich jetzt doch an Mädchen erinnern kann, die schon so weit waren, ohne es anderen mitzuteilen. Sheila erzählte es aber Fig, da hätte sie es gleich als Schlagzeile bringen können.«
    »Als meine Zwillingsschwester ihre Tage bekam«, sagt Henry, »gratulierte ihr Dad beim Abendessen. Ich brachte praktisch keinen Bissen mehr runter. Wir waren dreizehn, was im Klartext bedeutete, dass ich so aussah und mich so benahm wie mit neun, während Julie so aussah und sich so benahm wie mit fünfundzwanzig.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du einen Zwilling hast«, sagt Hannah. »Ich habe mir das immer ziemlich spaßig vorgestellt.«
    »Du und Fig seid doch fast so etwas wie Zwillinge. Ihr seid nur ein paar Monate auseinander, stimmt’s?«
    »Sie ist drei Monate älter«, antwortet Hannah. »Aber es ist nicht das Gleiche. Wir sind in verschiedenen Häusern |93| aufgewachsen, mit verschiedenen Eltern. Außerdem ist das Beste am Zwillingsdasein …«
    »Du meinst doch nicht diese außersinnliche Wahrnehmung? Julie und ich haben das überhaupt nicht drauf.«
    »Eigentlich meinte ich Pyjamapartys. Ich dachte, wenn ich einen Zwillingsbruder hätte, könnte ich lauschen und herausfinden, in wen seine Freunde verknallt sind.«
    »Mich hat man aus dem Haus verbannt, wenn Julie Pyjamapartys feierte. Und als einmal der Freund, bei dem ich übernachten sollte, in letzter Minute krank wurde und ich zu Hause bleiben musste, hielt mir meine Mutter eine Standpauke, ich solle Julies Freundinnen bloß nicht hänseln und ihnen keine Streiche spielen. Das hatte ich auch gar nicht vor – vermutlich haben sie mich mehr eingeschüchtert als umgekehrt. Trotzdem hat meine Mutter mich gezwungen, bei ihr und Dad im Zimmer zu übernachten, in einem Schlafsack, auf dem Boden neben ihrem Bett. Alle paar Stunden setzte sie sich auf und sagte: ›Henry, bist du noch da?‹ – die ganze Nacht.«
    »Wo bist du denn aufgewachsen?«
    »New Hampshire. Lebe frei oder stirb.«
    »Ich bin in einem Vorort von Philly aufgewachsen. Genau wie Fig. Aber das Motto unseres Bundesstaates kenne ich nicht.«
    Wie aus der Pistole geschossen sagt Henry: »›Tugend, Freiheit und Unabhängigkeit‹.«
    »Echt?«
    »Massachusetts: ›Durch das Schwert streben wir nach Frieden, Frieden jedoch nur in Freiheit.‹ Nicht ganz unproblematisch.«
    »Hast du dir das gerade ausgedacht?«
    »Wir mussten die alle in Sozialkunde auswendig lernen«, sagt Henry. »Damit haben wir uns beschäftigt, während andere unbedingt furzen mussten.«
    |94| Hannah haut ihm mit dem Handrücken auf den Arm. Ganz leicht nur, eher ein Tätscheln als ein Schlag, und trotzdem kommt ihr auf Anhieb die furchtbar unangenehme Situation wieder in den Sinn, als ihr Vater davor warnte, den Fahrer anzufassen. »Tut mir leid«, sagt sie.
    »Was?«, fragt Henry.
    In Gedanken immer noch bei ihrem Vater, fragt sich Hannah, ob es – auf lange Sicht – überhaupt Situationen geben kann, wo nicht hinter jeder Kurve ein Konflikt lauert, wo man seine Zeit nicht in Erwartung des nächsten Fehlers verbringt, den man womöglich begehen wird. Genauso gut könnte sie sich ein verzaubertes Bergdorf in der Schweiz vorstellen. Laut antwortet sie: »Tut mir leid, dass ich dir nicht gleich geglaubt habe. Was ist mit Alaska – weißt du das

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