Also lieb ich ihn - Roman
genannt.«
»Ich hätte lieber exzentrisch sagen sollen. Du scheinst deutlich mehr Bodenhaftung zu besitzen als Fig«, sagt er.
»Na ja – erstens halte ich mich keineswegs für verrückt. Zweitens denke ich, dass Jungs ein gewisses Maß an Verrücktheit bei Mädchen durchaus zu schätzen wissen. Ständig sehe ich Typen mit diesen Mädchen ausgehen, die so launisch und quengelig sind. So
wahnsinnig
launisch und quengelig.«
|100| »Und was ist mit den Mädchen, die sich auf Vollidioten einlassen?«
»Das ist was anderes. Ich meine die Art Mädchen, die sich pausenlos beschweren oder heulen oder Szenen machen. Wenn ich als Typ mit so einer zusammen wäre, könnte ich es keine fünf Minuten aushalten. Da diese Typen es aber sehr wohl aushalten, müssen ihnen diese dramatischen Auftritte irgendwie gefallen.«
»Als Außenstehende kannst du niemals beurteilen, was sich zwei Menschen zu geben haben.« Henry klingt dabei so abgeklärt, dass Hannah mehrere ernstzunehmende Beziehungen dahinter vermutet; er wirkt so reif und überzeugt, als spreche er wirklich aus Erfahrung, anders als Hannah. »Was Dritte zu sehen bekommen, ist nur die halbe Wahrheit«, sagt er. »Außerdem neigen wir alle dazu, Rollenmuster zu erfüllen, oder nicht? Natürlich versuche ich, mit meiner Freundin zu reden, wenn sie herumzickt, egal, wie unlogisch sie sich gerade gibt. Es wird nun mal das Rad geschmiert, das am lautesten quietscht.«
»Das klingt ja so, als müsste man als Mädchen eine echte Nervensäge sein, um einen Freund abzubekommen.«
»Sagen wir mal, die Chancen steigen, wenn du dabei einen tiefen Ausschnitt trägst.«
»Du bist also nicht meiner Meinung?«
»Ich streite ja nicht ab, dass es in manchen Fällen zutrifft, aber du hast es viel zu sehr verallgemeinert.«
Hannah verstummt. Der leichte Schwindel ist dahin. Es liegt auf der Hand, dass sie Henry mit ihrer Theorie über anstrengende und anspruchsvolle Mädchen vergrätzt hat – zwar gibt er sich diplomatisch, aber es interessiert ihn nicht die Bohne. Trotzdem empfindet sie die Distanz, die nun wieder zwischen ihnen entsteht, fast als Befreiung. Ihre hochfliegenden Hoffnungen von eben waren fast nicht auszuhalten gewesen.
|101| Nach einer Weile sagt Henry: »Wie geht’s denn so, da drüben?«
»Ganz gut.« Doch auch die Luft hat sich verändert. Hannah spürt durch das offene Fenster, wie es Abend wird. Als sie über die Sagamore-Brücke fahren, ermahnt sie sich selbst, nicht so zu tun, als wäre sie einunddreißig und Henry dreiunddreißig und als säßen ihre beiden Kinder (sechs und vier Jahre alt) auf der Rückbank; ermahnt sich, nicht in die Träumerei zu verfallen, dass sie das Wochenende in einem Strandcottage verbringen werden. Aber diese College-Techtelmechtel mit den eigentümlichen Ritualen und merkwürdigen Outfits und rätselhaften Codes, die man im Gespräch beherrschen muss – sie sind so weit von dem entfernt, wonach sie sich im tiefsten Herzen sehnt. Wenn sie doch schon zehn Jahre älter wäre und diese Zeit des Spaßzwangs überwunden hätte. Im Grunde will sie einen Mann, mit dem sie Essensbestellungen für daheim aufgeben und neben dem sie im Auto sitzen kann, genau wie jetzt, nur dass sie dann statt einer Neben- die weibliche Hauptrolle spielen würde. Und so würde Hannah Henry dazu bringen, ihretwegen loszufahren und nicht wegen Fig.
Cape Cod ist schäbiger als erwartet. Hannah hatte es sich so schick vorgestellt, stattdessen sieht sie überall öde Strip Malls. Sie nähern sich Hyannis, dann sind sie schon da. Das Gespräch ist seit etwa zwanzig Minuten verebbt, so dass Henrys Stimme wie eine Überraschung klingt: »Siehst du diesen Mexikaner da drüben? Hast du überhaupt Hunger?«
»Schon«, sagt Hannah. »Klar.«
Innen wirkt das Restaurant eher wie ein Imbiss, auch wenn Hannah nicht den Eindruck hat, dass es sich um eine Kette handelt. Sie bestellen beide Burritos – in einem halbherzigen Versuch, ladylike zu erscheinen, verzichtet |102| Hannah auf Guacamole und saure Sahne –, die sie dann ins Freie zu einem Picknick-Tisch am Straßenrand tragen. Henry setzt sich auf den Tisch, Hannah tut es ihm nach. Sie blicken auf die Autos, was denselben Effekt hat wie Fernsehen: Sie müssen nicht reden.
Hannah hat ihren Burrito fast aufgegessen, als Henry sagt: »Du liegst ja nicht so falsch mit deiner Vermutung, dass Jungs eine Schwäche für hilflose Mädchen haben – ich meine sogar, du hast vollkommen recht. Allerdings scheinst du zu
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