Also lieb ich ihn - Roman
wie Safari-Touren oder Bowling-Ligen, als etwas, das von vielen anderen praktiziert, ihr aber stets vorenthalten bleiben wird. Dass sie es jetzt aus eigener Anschauung erlebt, trägt nicht zu ihrer Beruhigung bei, es beweist nichts. Es beweist nichts von dem, worauf es ihr im Innersten ankommt. Es kommt ihr künstlich vor und löst wieder dieses Gefühl aus, dass sie als Schauspieler in einem Theaterstück mitwirken.
»Und wie soll ich dich dann vorstellen?«, will Mike wissen.
»Als Hannah«, antwortet sie.
An einem Dienstagnachmittag ruft Fig an. »Hab gerade mit dem Reisebüro telefoniert«, sagt sie. »Bis fünf muss ich die Buchung bestätigen. Du kommst doch mit?«
Es ist zwanzig vor fünf. »Und an welchem Wochenende genau?«
»Hannah, was spielt das für eine Rolle? Was hast du sonst am Laufen?«
Sie bringt es einfach nicht fertig, Mike ihrer Cousine zum Fraß vorzuwerfen. »Vielleicht muss ich eine Hausarbeit abgeben.«
»Drittes Oktoberwochenende. Das Ticket kostet knapp über dreihundert.«
|191| Hannah seufzt. Seit sie sich verschuldet hat, ist Geld ohnehin nichts Konkretes mehr – was macht es dann für einen Unterschied, ob sie mit 11 000 oder 11300 Dollar in der Kreide steht? »Geht in Ordnung«, sagt sie.
Am dritten Oktoberwochenende – am Samstag – hat Mike seinen zweiundzwanzigsten Geburtstag. Er sagt: »Das weißt du doch. Wir wollten dann vielleicht zu meiner Mutter fahren.«
Es stimmt. An das Gespräch kann sie sich jetzt wieder bestens erinnern. Sie antwortet: »Es ist ja nicht so ein wichtiger Geburtstag, wie der einundzwanzigste zum Beispiel.«
»Dir ist es vielleicht nicht wichtig.«
Zum ersten Mal ist er ihr böse, und seine bockige Reaktion hat etwas Kindisches. Sie steht vom Bett auf – beide haben sich vorhin vollständig angezogen auf die Decke gelegt, bald werden sie zum Abendessen ausgehen –, nimmt ein Haargummi aus der Schale auf der Kommode und bindet sich einen Pferdeschwanz. Vor allem wollte sie von ihm weg.
»Dabei kannst du deine Cousine nicht mal leiden. So, wie du von ihr sprichst«, sagt Mike, »ist sie ein richtiges Ekel.«
»Das ist sie«, sagt Hannah. »Aber sie ist auch ein Schatz.«
Mike scheint nicht überzeugt zu sein.
»Als wir noch klein waren, haben Figs Eltern zu Weihnachten einmal Schokoladentrüffeln bekommen. Wir haben uns die Schachtel geschnappt und sie in Figs Zimmer komplett aufgefuttert«, erzählt Hannah. »Irgendwann wurde uns klar, dass die Trüffeln Alkohol enthielten, und Fig sagte, wir wären beide betrunken. Sie glaubte es tatsächlich. Und so torkelten wir durchs ganze Zimmer, rollten auf dem Boden rum – wir wussten ja nicht, was echte |192| Betrunkene taten. Und ich hatte eine Heidenangst, aber es hat auch Spaß gemacht. Fig kennt keine Langeweile, mit ihr ist das Leben immer aufregend.«
Mike sieht nach wie vor unbeeindruckt aus.
»Einmal hat sie auch versucht, mich mit einem Typen von der Boston University zu verkuppeln.«
»So genau will ich das gar nicht wissen.«
»Es war letztes Jahr, ganz zu Beginn. Fig wollte zu diesem Verbindungsball, ich sollte mit, und so hatte sie für mich einen Freund ihres Begleiters organisiert. Der Typ dachte bestimmt, ich wäre bildhübsch, weil ich Figs Cousine bin. Sie riet mir, viel zu trinken und keinen Quatsch von mir zu geben, dann würde er sich garantiert an mich heranmachen, aber ich dürfe ihn nur auf sein Zimmer begleiten, wenn ich wirklich Sex wollte. Auf der Rückfahrt hat er mich im Bus tatsächlich befummelt, aber ich konnte nicht. Ich konnte die Sache einfach nicht durchziehen.« Hannah kann sich auch nicht an seinen Namen erinnern. Er spielte Lacrosse, darüber hinaus weiß sie nur noch, dass er eine Art Schnur mit braunen Holzperlen um den Hals trug und ihr erzählte, dass er in den fünf Jahren bis zu seinem Abschluss eine Quote von hundert Gs erzielen wollte – so drückte er das aus. »Der Abend war ein totaler Reinfall«, sagt Hannah. »Doch jetzt kommt’s: Fig brachte mir ein Anstecksträußchen mit. Sie wusste, der Typ würde nicht dran denken, und so hat sie mir selbst eins besorgt, Schwertlilie mit Schleierkraut. Fig ist nicht rundum schlecht.«
Mike schüttelt den Kopf. »Erstens: du
bist
bildhübsch«, sagt er. »Und was du noch wissen solltest: Du selbst bist dein ärgster Feind.«
Mike hat eine katholische High School nur für Jungen besucht, darum vermutet Hannah, dass er das Studium an |193| einer liberalen Universität umso mehr
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