Also lieb ich ihn - Roman
der Hochzeit konnte ich nur noch an ihn denken. Schließlich habe ich Tracy um seine Adresse gebeten. Den Brief an ihn hätte ich kopieren sollen. Er ist mir richtig gut gelungen.«
Ob sie ein Foto dazugelegt hat? So, wie sie Fig kennt, ist das anzunehmen, und das Foto dürfte obendrein ziemlich freizügig gewesen sein. Und dass Fig den Typen nicht auf der Hochzeit angesprochen hat, liegt kaum an dieser Klette, denkt Hannah. Hätte sie es wirklich gewollt, hätte sie es auch getan. Stattdessen wollte sie sicher eine geheimnisvolle Aura erzeugen, als sie ihn erst später kontaktierte – als ferne Verlockung.
»Er arbeitet fürs Fernsehen in L. A., und er hält sich zwar bedeckt, aber du merkst einfach, wie erfolgreich er ist«, erzählt Fig. »Er will mir ein Flugticket kaufen, damit ich ihn dort besuche. Zunächst haben wir uns eine Weile geschrieben, diese Woche haben wir das erste Mal miteinander telefoniert. Was guckst du mich so komisch an?«
»Hältst du das wirklich für eine gute Idee? Du weißt doch gar nicht, was er für ein Mensch ist.«
»Hannah, wenn du nicht gerade mit deinem eigenen Bruder ausgehst, weißt du am Anfang nie, was für ein Mensch der andere ist.« Hannah denkt an Mike – Fig hat durchaus recht. »Aber natürlich will ich mich keiner Gefahr aussetzen«, fährt Fig fort, »deshalb sollst du ja auch mitkommen.«
»Nach L. A.?«
»Wir nehmen uns ein Zimmer im Hotel. Ich weiß, du machst dir Sorgen wegen der Knete, aber dann teilen wir uns eben die Kosten.« Glaubt Fig im Ernst, das sei ein großzügiges Angebot? »Wenn’s gut läuft, übernachte ich sowieso bei ihm. Und wenn er sich als Vollarsch à la Mark Harris herausstellt, wovon ich nicht ausgehe, komme ich zu dir ins Hotel. Dann jagen wir eben Filmstars.«
|186| »Woher willst du so genau wissen, dass Philip Lake
kein
zweiter Mark Harris ist?«
»Er ist mit den Brewsters so gut wie verwandt. Seine Ex-Frau ist die Schwester von Mr. Brewster.«
»Er ist geschieden? Wie alt ist der überhaupt?«
»Vierundvierzig.« Fig lächelt lasziv. »Glaub mir, Hannah, diese älteren Männer wissen verdammt genau, was sie tun. Vielleicht sollten wir für dich auch einen auftreiben.«
»Wann willst du hin?«
»Das steht noch nicht fest. Wahrscheinlich am zweiten oder dritten Oktoberwochenende. Du hast freitags keine Seminare?«
»Doch. In diesem Semester schon.«
»Egal. Du warst noch nie in Kalifornien, stimmt’s oder hab ich recht?«
Gegen ihren Willen fühlt sich Hannah eine Spur geschmeichelt, wie stets, wenn Fig mit ihr etwas unternehmen will. Da kann sie sich nach außen hin noch so sehr sträuben, am Ende wird sie doch mitspielen. Sie wird immer mitspielen. Selbst wenn Fig es sich anders überlegen sollte und Hannah gar nicht mehr dabeihaben will, wird Hannah mitspielen.
Fig setzt sich auf und schwingt ihre Beine aus dem Bett. »Denk drüber nach«, sagt sie. Dann hebt sie die Arme, streckt sich; gleich geht sie weg. Doch erst lässt sie den Blick durchs Zimmer schweifen. »Irgendwie ist das niedlich, dass du immer noch im Wohnheim lebst, obwohl du jetzt deinen Abschluss machst.«
Das Merkwürdige ist, dass Hannah und Mike sich weiterhin treffen. Er ruft sie regelmäßig an, und wie schon bei ihrem ersten Date hat sie nie einen richtigen Grund, seine Einladungen abzulehnen. Bei ihrem zweiten Date gehen sie ins Kino; im Lauf des Abends kommt es zwischen |187| ihnen zu keinerlei Körperkontakt (zur Begrüßung hat Hannah verunsichert hallo gewinkt), bis er etwa fünf Minuten vor dem Abspann ihre Hand ergreift. Bei ihrem dritten Date gehen sie vietnamesisch essen, beim vierten Cheeseburger. Immer bezahlt er, etwas, das sie inzwischen zu schätzen weiß; ihre halbherzigen Proteste übergeht er. Beim fünften Date laufen sie zum Harvard Square und spazieren am Charles entlang; zunächst befürchtet Hannah, dass es pseudoromantisch wird, wie aufgesetzt, aber dann ist es einfach schön. Nachdem ihre erste gemeinsame Nacht mehr oder weniger keusch verlief, endet seitdem jede weitere Verabredung in Hannahs dunklem Wohnheimzimmer (sein Zimmer teilt er mit anderen Studenten), und immer sind beide splitternackt. Zwar versucht er nicht, sie zu richtigem Sex zu bewegen, aber er sagt oft, wie sehr er sich zu ihr hingezogen fühlt. Das ist auch ungefähr die Quintessenz von dem, was in diesen Nächten gesprochen wird. Während sie allmählich einschläft, sagt er: »Ist es okay, wenn ich es mir selbst mache?« Sie nickt, er rollt sich auf
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