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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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her auch nur im entferntesten vergleichen.«
    An dem Punkt war Vorsicht geboten. Wenn er jetzt das Vertrauen des jungen Mannes verlor, dann würden dieser Hines und sein Londoner Detektiv ihn vollends aus dem Rennen werfen.
    »Gut, aber es heißt doch, Versace habe mit nichts angefangen…«
    »Und meine Mutter fing mit Schulden an! Wenn Sie auch nur das Geringste über meinen Vater wüßten…« Leonardo hielt jäh inne und blickte den Maresciallo prüfend an. »Sie wollen sagen, daß unser Name… Sie glauben…«
    »Der Grundbesitz, die Immobilienwerte. Aber das sollten Sie mit einem Fachmann besprechen, und außerdem – solange keine Lösegeldforderung eingegangen ist, wissen Sie ja nicht, wieviel die über Sie in Erfahrung gebracht haben. Worüber Sie sich schon einmal Gedanken machen könnten, das ist die Frage, woher die Täter wohl ihre Informationen bezogen haben. Ich weiß, wie unangenehm so was ist, aber ich muß Sie bitten, mir eine Liste zusammenzustellen, auf der Ihre sämtlichen Angestellten – egal, in welcher Funktion – aufgeführt sind, ferner Bekannte, Freunde des Hauses… Falls Sie zufällig eine neue Freundin haben, können Sie gleich mit ihr anfangen.«
    »Nein, nein, meine Freundin ist Amerikanerin und lebt in der Schweiz.«
    »Gut, dann eben deren Vorgängerin. Sind Sie im Streit auseinandergegangen? Haben Sie sie verlassen?«
    »Nein, sie mich. Die meisten Frauen verabschieden sich früher oder später, weil ich Tag und Nacht arbeite. Aber wir haben uns freundschaftlich getrennt. Ich kann mir nicht vorstellen…«
    »Wenn Sie Ihre Mutter retten wollen, dann machen Sie mir diese Liste: mit Ihren Angestellten, den regulären und den Aushilfskräften, dem Buchhalter, dem Gärtner… notieren Sie jeden neuen Bekannten, der sich plötzlich für Ihre Schwester interessiert, einfach all Ihre Kontakte. Und keine Angst, wir sind da sehr diskret, keiner wird merken, daß man ihn überprüft. Aber den Namen Brunamonti, den hat man nicht zufällig aus dem Telefonbuch gefischt, Sie verstehen?«
    Leonardo sank in einen Sessel und rieb sich die Augen. Es fiel ihm offensichtlich nicht ganz leicht, sich auf dieses für ihn neue Weltbild einzustellen. »Gut, ich bin einverstanden.«
    Der Maresciallo überlegte gerade, ob er den jungen Mann heimfahren oder ihm einen Spaziergang an der frischen Luft vorschlagen solle, als ein Carabiniere den Kopf zur Tür hereinsteckte und ihn ans Telefon bat. »Verzeihen Sie die Störung, Maresciallo, aber der Capitano wünscht Sie zu sprechen.«
    »Ah, Guarnaccia, ich hatte gehofft, daß Sie noch da sind. Ist Brunamonti noch bei Ihnen?«
    »Ja.«
    »Dann bringen Sie ihn vielleicht gleich mit. Wir haben den Wagen gefunden.« Maestrangelos erklärte ihm noch kurz den Weg bis zu dem Treffpunkt, an dem seine Leute ihn erwarten würden, dann hängte er ein.
    »Wir haben ihr Auto.«
    5
    Sie fuhren im Dienstwagen, mit einem Carabiniere am Steuer, und der Maresciallo saß mit Leonardo im Fond, für den Fall, daß sein Schützling immer noch das Bedürfnis haben sollte, sich auszusprechen. Aber ob das nun generell seine Art war oder ob er immer noch unter Schock stand – der junge Mann kannte offenbar kein ausgewogenes Mittelmaß: Entweder schüttete er einem gleich sein ganzes Herz aus, oder er blieb stumm wie ein Fisch. Natürlich erwartete niemand, daß er in seiner Verfassung unbefangen Konversation machen würde, aber der Maresciallo, der schon viele ähnliche Situationen erlebt hatte, fand sein Benehmen dennoch ungewöhnlich. Um diese Tageszeit – es war inzwischen früher Nachmittag – herrschte kaum Verkehr, so daß sie die Stadt mit ihren Prachtbauten und Marmorfassaden bald hinter sich gelassen hatten und auf ausgefahrenen Straßen durch triste Vororte mit engbrüstigen Reihenhäusern, Fabriken und Gewerbebetrieben fuhren. An der Abzweigung eines Feldwegs, der vom bebauten Gelände weg in Richtung der Berge führte, wurden sie von einem Jeep der Regionalpolizei in Empfang genommen. Obwohl die Sonne strahlend hell vom wolkenlosen Himmel schien, schwammen immer noch Eiskrusten auf den Gräben rechts und links der lehmbraunen Fahrrinne. Am Fuß einer steilen Traktorspur hielt der Jeep, und der Fahrer schlug vor, sie sollten bei ihm einsteigen, da sie mit dem PKW hier nicht weit kommen würden.
    Man wechselte in den Jeep, und der Maresciallo behielt seinen Schützling im Auge, dessen gestriger Zusammenbruch ihm einen gehörigen Schrecken eingejagt hatte. Allein, Leonardo

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